Börsen-Zeitung: Ansage aus China, Marktkommentar von Kai Johannsen
Frankfurt (ots)
Wenn irgendeiner ein glückliches Händchen für ein optimales Timing hat, dann sind es wohl die Chinesen. Am Montag der neuen Handelswoche packen die Mitglieder des Offenmarktausschusses der US-Notenbank Fed ihre Unterlagen zusammen für ihre am Dienstag beginnenden zweitägigen geldpolitischen Beratungen, und kurz vor dem Wochenende machen ihre Kollegen aus China sie dann noch eindrucksvoll auf einen nicht ganz unbedeutenden Tagesordnungspunkt aufmerksam: Die konjunkturelle Lage in den Schwellenländern, insbesondere natürlich im Reich der Mitte, ist derzeit ausgesprochen fragil. Das sollten die US-Notenbanker bei ihren Beratungen zumindest mal im Hinterkopf behalten. Oder etwas deutlicher: Eine Zinsanhebung im fernen Amerika passt da momentan überhaupt nicht ins Bild - zumindest aus Sicht der Chinesen. So kann man die Zinssenkung seitens der chinesischen Zentralbank am Freitag der gerade zu Ende gegangenen Handelswoche auch interpretieren.
Gleicht einem Déjà-vu: Die Mehrheit der Marktteilnehmer hatte sich seit dem Frühjahr darauf eingestellt, dass die USA im Herbst - sprich im September - ihre erste Leitzinsanhebung seit der Finanzkrise durchführen und damit die Leitzinswende einleiten werden. Mit ihren Währungsabwertungen im August machten die Chinesen nur kurze Zeit vor dem entsprechenden September-Meeting auf ihre schwache konjunkturelle Verfassung aufmerksam. Viele Marktakteure glaubten seinerzeit, dass die US-Notenbanker sich von den Chinesen dadurch nicht diktieren lassen würden, wie der geldpolitische Pfad inklusive des Datums der ersten Leitzinsanhebung seit der Finanzkrise auszusehen hätte.
Fed wartet lieber ab
Aber die US-Notenbanker verwiesen später doch darauf, dass die Entwicklungen in Übersee, also die Verfassung der Schwellenländer und die damit einhergehenden Turbulenzen auf den Finanzmärkten bei der Entscheidung, lieber doch noch mit dem US-Zinsschritt abzuwarten, einer Rolle gespielt hätten.
Seitdem war es an den Märkten mit Blick auf China wieder ruhiger geworden. Größere Kursstürze oder sehr viel stärkere Volatilitäten hatte es in dieser Hinsicht nicht mehr gegeben. Die makroökonomischen Daten aus dem Reich der Mitte signalisierten indes weiter, dass es um die Konjunktur Chinas derzeit nicht zum Besten bestellt ist.
Genau diese Signale sendete die chinesische Zentralbank am Freitag denn auch noch mal aus. Nach der sechsten geldpolitischen Lockerung seit November vergangenen Jahres deuteten die Zentralbanker darüber hinaus ihre Bereitschaft an, bei Bedarf noch nachzulegen. Denn die Wirtschaft sei von Abwärtsrisiken bedroht. Chinas Ministerpräsident Li Keqiang schlug verständlicherweise in die gleiche Kerbe. Er will auch die Instrumente der Haushaltspolitik nutzen, um die schwächelnde Wirtschaft des Landes wieder auf Fahrt zu bringen. Alles in allem stehen die Zeichen damit in China auf weitere Lockerung - mit allen Mitteln eben.
Aber wäre ohne die Ansage aus China nun mit einer Zinsanhebung in den USA zu rechnen (gewesen). Das lässt sich wohl fast schon ausschließen. Die Datenlage und damit die Verfassung der US-Konjunktur inklusive der Entwicklung an der Preisfront hat sich gegenüber dem September-Meeting nun nicht derart entwickelt, dass eine Zinsanhebung unausweichlich wäre. Vielmehr gestaltet sich die Datenlage derart, dass auch in diesem Monat bei der Fed wohl eher die Neigung zum weiteren Abwarten Vorrang hat.
Mit Blick auf eine etwaige US-Zinsanhebung sollten auch zwei weitere wichtige Aspekte nicht vergessen werden. Den ersten Zinsschritt seit der Finanzkrise werden die US-Notenbanker der (Investoren-)Öffentlichkeit sicherlich gern persönlich erklären und nicht nur einfach schriftlich mitteilen wollen. Dafür gibt es Pressekonferenzen. Eine solche wurde für das Oktober-Meeting (bislang) nicht angesetzt.
Des Weiteren wollen die US-Notenbanker auch sicherlich Einigkeit bei diesem Zinsschritt signalisieren. Die Kommentare aus den Reihen der Fed lassen aber genau diese Einigkeit überhaupt nicht erkennen. Die ersten Fed-Vertreter bringen nämlich schon das Jahr 2016 als geeigneten Zeitpunkt für eine Zinsanhebung ins Spiel und nicht mehr Dezember dieses Jahres.
Charles Evans, Präsident der Fed von Chicago, erklärte vor einigen Tagen, dass der beste Zeitpunkt für eine Zinswende Mitte 2016 sei. An den Märkten konzentrieren sich viele Akteure indes immer noch auf Dezember dieses Jahres als Zeitpunkt für die US-Zinsanhebung. Bleibt abzuwarten, was sich die Chinesen für dieses Meeting ausdenken werden.
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