Börsen-Zeitung: Nee, Kommentar zur Europäischen Union von Bernd Wittkowski
Frankfurt (ots)
Ist das "der Anfang vom Ende der EU", wie der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders angesichts der Ablehnung des Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Ukraine durch eine klare Mehrheit beim Referendum in seinem Land frohlockt? Falsch könnte seine Analyse vor allem sein, was den "Anfang" angeht - der liegt nämlich weiter in der Vergangenheit bei den Ursachen der Entwicklung, die jetzt zum "Nee" in unserem westlichen Nachbarland, aber zur Euro(pa)verdrossenheit auch in etlichen anderen Mitgliedstaaten geführt hat.
Mit dem absehbaren Ende dagegen könnte Wilders durchaus Recht behalten. Noch scheint der "Nexit", auf den die Initiatoren der Volksabstimmung letztlich zielen - der EU-Ukraine-Vertrag war nur Mittel zum Zweck -, zwar relativ weit weg zu sein. Doch die Einschläge werden mehr und kommen dem Kern der EU und Eurolands näher - die Niederlande gehörten schließlich in den fünfziger Jahren zu den sechs Gründungsmitgliedern der Europäischen Gemeinschaften.
Und wie viele Brexits, Nexits, Grexits und sonstige Ausstiege könnte und wollte sich Europa denn leisten? Wobei nicht erst die unverkennbaren Auflösungserscheinungen selbst, sondern schon die ständigen, ermüdenden Diskussionen über das Auseinanderdriften desintegrierend wirken. Sie drohen den fatalen Prozess der Lockerung des Zusammenhalts zu verstärken und zu beschleunigen. Bei wem kommt denn heute wirklich ungetrübte Freude auf, wenn er an Europa, die Freiheiten des Binnenmarktes für Arbeitskräfte, Waren, Dienstleistungen und Kapital, einen Raum mit buchstäblich grenzenloser Reisefreiheit oder die gemeinsame Währung denkt? Wer hat noch das "Friedensprojekt Euro" im Sinn? Die Niederlande sind beileibe kein Einzelfall. Abschottungstendenzen in Osteuropa weisen ebenso in die gleiche Richtung wie tendenziell die Ergebnisse der jüngsten Kommunal- und Landtagswahlen in Deutschland.
Wundern muss man sich darüber nicht. Die Regierungen in zahlreichen europäischen Hauptstädten haben den Bürgern mit einer verfehlten Politik des Tolerierens von Alleingängen, Missständen sowie Vertrags- und Gesetzesbrüchen die früher durchaus spürbare Euro(pa)begeisterung regelrecht ausgetrieben. Die großen Europäer Deutschland und Frankreich waren übrigens die ersten, die den Stabilitätspakt unterminierten. Was in der Euro- respektive Staatsschuldenkrise offenbar wurde, setzte sich in der Migrationskrise fort: die Missachtung des Rechts. So kann kein Vertrauen in Europa und in den Euro wachsen.
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