Börsen-Zeitung: Stark in die Berichtssaison, Marktkommentar von Christopher Kalbhenn
Frankfurt (ots)
Etwas mehr als zwei Monate nach der US-Präsidentschaftswahl stehen die Märkte immer noch im Bann von Donald Trump. Das hat ihre Reaktion auf die Pressekonferenz rund eine Woche vor seinem Amtsantritt deutlich vor Augen geführt. Die Aktienmärkte gingen in die Knie, weil sich der President-elect zu seinen wirtschaftspolitischen Plänen, d.h. den im Wahlkampf avisierten Ausgaben für die Infrastruktur und Steuersenkungen, ausschwieg. Seit Mitte Dezember stagnieren die amerikanischen Indizes, auch wenn, wie am Freitag der Nasdaq Composite, einzelne Marktbarometer hier und da noch ihre in der Trump-Rally aufgestellten Rekorde um ein paar Pünktchen übertreffen.
Die zögerliche Haltung spiegelt sich vor allem im Dow Jones Industrial Average wider. Der weltweit prominenteste Aktienindex scheut seit Mitte Dezember immer wieder vor der Marke von 20000 Punkten zurück, so wie es einst der Dax mit der Schwelle von 10000 Zählern getan hat. Vom 13. Dezember bis einschließlich Donnerstag stieg der Index an 11 von 21 Handelstagen über 19950 Punkte, ohne sich ganz an die Marke heranzutrauen, und am 6. Januar fehlten nur noch winzige 0,37 Punkte bis zum Ziel. Am Freitag folgte der zwölfte Anstieg über 19950, ohne dass bis vor Redaktionsschluss die Marke von 20000 Punkten ernsthaft in Angriff genommen werden konnte.
Optimistische Erwartungen
Die Entwicklung zeigt, dass sehr optimistische Erwartungen an die Fiskalpolitik von Trump in den Kursen enthalten sind. Damit die US-Indizes wieder richtig durchstarten können, muss Trump liefern. Tut er dies nicht in absehbarer Zeit, droht ein Rückschlag. Denn dann würde sich der Vorschusslorbeer, mit dem Trump bedacht worden ist, als voreilig erweisen. Allerdings sollte sein Schweigen zur Fiskalpolitik auch nicht überbewertet werden. Warum sollte er nicht bis zu seinem kurz bevorstehenden Amtsantritt warten, bevor er ein detaillierteres Programm vorlegt?
Beunruhigender scheinen eher die Themen zu sein, zu denen Trump nicht geschwiegen hat, d.h. seine protektionistische Agenda. So erneuerte er seine Ankündigung, eine Mauer bauen zu lassen, die Mexiko bezahlen soll. Pharmazieaktien brachen ein, nachdem er die Unternehmen aufgefordert hatte, mehr in den USA zu produzieren, und ihnen überhöhte Preise vorwarf. Nicht unbedingt positiv aufgenommen wurde, dass er die von ihm beklagte Berechnung hoher Preise durch die Branche als Mord bezeichnete. Die Pressekonferenz zeigte damit ein weiteres Problem auf: Optimistische Erwartungen an die Fiskalpolitik Trumps sind - möglicherweise voreilig - in die Kurse eingearbeitet worden, die Schattenseite bzw. Risiken dagegen nicht.
Aber auch in dieser Hinsicht sollten keine voreiligen Schlüsse gezogen werden. Erst einmal Präsident, wird der Republikaner von der Realität eingeholt werden. Das gilt für ökonomische Gesetze und den hohen Preis, den der Verstoß gegen diese und Handelskriege fordern, und auch für spannende Fragen wie die, auf welcher Rechtsgrundlage der Bau der Mauer der mexikanischen Regierung überhaupt in Rechnung gestellt werden soll (und kann).
Gewinne im Fokus
Nicht zuletzt dürfte auch das Ausmaß der Fixierung der Märkte auf Trump übertrieben sein und sich mit der Zeit legen. Auch ohne Trumps Zutun haben sich die weltwirtschaftlichen Perspektiven in den zurückliegenden Monaten etwas aufgehellt, und das Unternehmensgewinnwachstum hat die Wende nach oben geschafft. Daher wird sich die Aufmerksamkeit in nächster Zeit auf die Berichtssaison richten. Auch hier muss allerdings geliefert werden, denn die Bewertungen am amerikanischen Aktienmarkt sind mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 17 auf Basis der Konsensprognosen für 2017 ziemlich anspruchsvoll geworden. Im dritten Quartal 2016 seien die Gewinne der S&P500-Unternehmen erstmals seit fünf Quartalen wieder gewachsen, so die Helaba am Freitag. Steigende Frühindikatoren signalisierten, dass sich der positive Trend fortsetzen wird. "Dies ist allerdings auch dringend nötig." Das KGV auf Basis der Schätzungen für die kommenden zwölf Monate habe mittlerweile den oberen Rand der Spanne der vergangenen zehn Jahre erreicht. Auch auf Basis alternativer Kennziffern bestehe kaum noch Raum für eine weitere Bewertungsexpansion. "Es wäre somit durchaus gesund, wenn erst einmal eine Verschnaufpause eingelegt würde, damit die Kursbewegung in Form weiter steigender Unternehmensergebnisse fundamental untermauert wird", so das Institut.
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