Börsen-Zeitung: Ende mit Schrecken, Kommentar zu Thyssenkrupp von Christoph Ruhkamp
Frankfurt (ots)
Als Thyssenkrupp im Jahr 2005 mit den Milliardeninvestitionen in das Stahlgeschäft in Amerika begann, ahnte niemand, wie desaströs das Abenteuer enden würde. Zwölf Jahre später liegt nun die Bilanz vor: Für das Brammenwerk in Brasilien, das buchstäblich auf Sumpf gebaut wurde, und für die weiterverarbeitenden Walzwerke in den USA gab der Essener Industriekonzern 12 Mrd. Euro aus. Nach dem Verkauf des verbliebenen Brasilien-Werks steht fest: Von der investierten Summe sind rund 8 Mrd. Euro unwiederbringlich verloren.
Dennoch empfinden die Investoren den Verkauf als Befreiungsschlag und feiern die Transaktion mit einem Kurssprung. Der Verkaufserlös von 1,5 Mrd. Euro ist zwar mit einer letzten Abschreibung von 900 Mill. Euro sowie einer Eigenkapitalminderung und einem noch nicht bezifferten Jahresverlust verbunden. Aber das zufließende Geld senkt die Schulden - und das hat Thyssenkrupp bitter nötig. Der Verschuldungsgrad war zum Jahresende über die für Kreditverträge kritische Grenze von 150 auf 166 Prozent gestiegen. Jetzt gewinnt der Konzern Zeit, um bis zum Geschäftsjahresende im September den Cash-flow zu verbessern und eine Kapitalerhöhung zu vermeiden.
Darüber hinaus hat der Deal strategische Bedeutung: Der Verkauf des Brasilien-Stahlwerks ist ein wichtiger Meilenstein beim Umbau von Thyssenkrupp hin zum starken Industriekonzern. Der 2011 als Sanierer angetretene Vorstandschef Heinrich Hiesinger will weg vom kapitalintensiven und zyklischen Stahlgeschäft. Der Anteil der verlässlicheren Einnahmen aus dem Geschäft mit Aufzügen, Autokomponenten, dem Großanlagenbau und den U-Booten soll weiter zunehmen. In diese Richtung ist ein weiterer Schritt gemacht.
Jetzt kommt der nächste Schritt: Das ist die Fusion der Stahlsparte, die ihre Kapitalkosten nicht verdient, mit dem Europageschäft des indischen Konkurrenten Tata Steel. Die britischen Stahlarbeiter haben jüngst der Abtrennung der 15 Mrd. Pfund an Pensionsverpflichtungen vom Unternehmen zugestimmt. Wenn nun noch die Pensionssicherungsbehörde grünes Licht gibt, wäre der Weg frei für den Zusammenschluss zu Europas zweitgrößtem Stahlkonzern hinter ArcelorMittal. Dass die Trennung vom Stahlgeschäft für Thyssenkrupp zu einem neuen Milliardenabenteuer wird, lässt sich nicht ausschließen. Aber allein kann Thyssenkrupp nicht für eine effiziente Auslastung der Anlagen und damit eine auskömmliche Profitabilität sorgen. Deshalb erscheint die riskante Fusion ohne Alternative.
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