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Börsen-Zeitung: Angst vor Le Pen, Marktkommentar von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots)

Gemessen an den potenziellen Risiken, die von den anstehenden Wahlen in Europa ausgehen, schlagen sich die Aktienmärkte der Region recht wacker. So haben der Euro Stoxx 50 und der Dax seit Jahresbeginn um 3,8% und 4,2% zugelegt. Allerdings hinken sie nach wie vor der Entwicklung des US-Aktienmarktes hinterher, dessen Hauptindex S&P500 mit 5,7% im Plus liegt. Gehemmt werden die europäischen Aktienmärkte von der Angst vor einem Wahlsieg von Marine Le Pen bei den französischen Präsidentschaftswahlen. Kein Wunder, dass der Rückstand des französischen Index CAC40 noch ein Stück größer ist. Er erreichte am Freitag bei 5022 Punkten zwar den höchsten Stand seit dem August 2015, sein Plus im Vergleich zu Ende 2016 beträgt jedoch lediglich 2,7%.

Daraus könnten sich in den kommenden Wochen Chancen ergeben. Denn die Wahrscheinlichkeit eines Wahlsiegs von Le Pen scheint gering. Das wurde zwar auch vom Pro-Brexit-Votum und einem Wahlerfolg von Donald Trump angenommen. Strategen verweisen jedoch darauf, dass die Ausgangslage in Frankreich ganz anders aussieht. Le Pen hat in den Umfragen einen deutlich größeren Rückstand als die Brexit-Befürworter und Donald Trump. Damit Le Pen Präsidentin werden kann, müssten die Abweichung des Wahlergebnisses von den Umfragen mehr als dreimal so hoch ausfallen wie beim Brexit-Referendum, wie Credit Suisse betont. Die Deutsche Bank schätzt die Wahrscheinlichkeit eines Wahlsiegs der Front-National-Kandidatin auf weniger als 30%, und UBS zitiert eine Umfrage, nach der sich Emmanuel Macron in der entscheidenden zweiten Wahlrunde mit 59% klar vor Le Pen durchsetzen würde.

Wenig Macht

Hinzu kommt, dass Le Pen, wenn sie sich überraschend doch durchsetzen würde, mit wenig Macht ausgestattet wäre. Denn der Front National hat keine Parlamentsmehrheit. Credit Suisse zufolge wird die Partei bei den Parlamentswahlen nur rund 10% der Sitze gewinnen, im Senat noch weniger. Das hat gravierende Folgen. So müsste sie sich mit einem von einer Mehrheit getragenen Premierminister einer anderen Partei abfinden, und dieser kann nur durch das Parlament entlassen werden. Auch kann kein Gesetz ohne Zustimmung des Parlaments und/oder des Premierministers erlassen werden. Deren Gesetzesentwürfe wiederum muss der Präsident nach spätestens 15 Tage unterzeichnen. Mehrfache Versuche, Gesetzesentwürfe zu blockieren, können ein Amtsenthebungsverfahren zur Folge haben. Auch die Chancen, ein Referendum über den EU-Verbleib durchzusetzen, sind gering, abgesehen davon, dass es in der französischen Bevölkerung keine Mehrheit für den Austritt gibt.

Doch was folgt daraus für die Finanzmärkte und die Investoren? Anders als in Bezug auf den Wahlausgang gehen die Meinungen hier auseinander. Credit Suisse hat kürzlich die Gewichtung europäischer Banken erhöht, da sie davon ausgeht, dass das politische Risiko zu steigenden Bundesanleiherenditen führen wird. Vor allem französische Banken sind ihrer Einschätzung nach billig. Zudem würden auch Lebensversicherer der Bank zufolge von einer steileren Zinskurve profitieren. Daneben hat das Institut den französischen Aktienmarkt von neutral auf leichte Übergewichtung hochgestuft. Der Euro Stoxx50 (aktuell bei 3416) wird der Bank zufolge ein Gewinner einer Niederlage Le Pens sein; als Ziel für die Jahresmitte werden 3500 Punkte genannt.

Skeptisch ist dagegen die Deutsche Bank. Mit einem gleitenden Zwölfmonats-KGV von 15 habe die Zunahme der politischen Sorgen im zurückliegenden Monat nicht zu einem signifikanten Bewertungsabschlag geführt. Das Institut glaubt, das eine Niederlage Le Pens zu einer Aufwertung des Euro und steigenden Realzinsen führen könnte. Beides wäre für Aktien negativ. Zudem sei die robuste ökonomische Wachstumsdynamik, die sich wahrscheinlich nicht auf dem aktuellen Niveau halten werde, bereits eingepreist. Dies und weitere Gründe bedeuten nach Meinung der Deutschen Bank, dass das Aufwärtspotenzial überschaubar ist.

Im Unterschied zum Abwärtspotenzial im Fall eines Le-Pen-Wahlsiegs. Hierin besteht unter den Strategen wieder Einigkeit. Die Deutsche Bank glaubt, dass die europäischen Aktienmärkte um 15% sinken würden. Die Verluste würden sich auf 20% bzw. 25% erhöhen, wenn es Le Pen gelänge, ein Referendum abzuhalten bzw. wenn diesem auch noch eine Mehrheit zustimmt. Credit Suisse geht von Einbußen von rund 25% aus, sollte Le Pen gewinnen und ihre Agenda vollständig umsetzen können.

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