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Börsen-Zeitung: Blick nach vorn, Kommentar zur geplatzten Börsenfusion von Claus Döring

Frankfurt (ots)

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hat den Schwarzen Peter in Sachen gescheiterter Börsenfusion wieder dahin geschoben, wo er hingehört: nach London. Die London Stock Exchange hat mit der abgelehnten Auflage zum Verkauf der italienischen Bondhandelsplattform MTS einen Vorwand gesucht und gefunden, um nach dem Brexit des Vereinigten Königreichs auch den Exit aus der Fusion mit der Deutschen Börse hinzukriegen. Schützenhilfe haben dabei die Verantwortlichen des Frankfurter Börsenbetreibers geboten, die versäumt hatten, für den Brexit-Fall im Fusionsvertrag eine klare Ausstiegsoption oder Neuverhandlung des Holdingsitzes London zu verankern.

Den vermeintlichen Brexit-Hedge in Gestalt des Referendumsausschusses hatte die LSE von Beginn an anders interpretiert als die deutsche Seite. Aufgrund dieser fragwürdigen Vertragsgestaltung sahen die Briten keine Veranlassung, auf die nachträgliche Forderung der Deutschen Börse nach einem juristischen Doppelsitz der Holding einzugehen - die Fronten zwischen London und Frankfurt verhärteten sich zusehends.

Völlig falsch eingeschätzt hatten - bekanntlich nicht zum ersten Mal! - Aufsichtsrat und Vorstand der Deutschen Börse außerdem, dass für die Börsenaufsicht und die Standortpolitik am Finanzplatz Frankfurt nicht die Berliner Politik, sondern die Landesregierung in Wiesbaden zuständig ist. Das Antichambrieren im Kanzleramt, in völliger Verkennung der politischen Verhältnisse und Interessen bei der Börsenfusion, hat kein gutes Licht auf das Spitzenpersonal jenes Unternehmens geworfen, das mehr als jeder andere börsennotierte Konzern ein "politisches" Unternehmen ist.

Nach dieser Lektion muss der Blick nach vorn gehen. Wer aufgrund der Veto-Möglichkeiten der hessischen Landesregierung nicht in ständiger Sorge vor einer feindlichen Übernahme leben muss, kann und sollte selbstbewusst und mit langem Atem im Markt agieren, sich auf die Fortentwicklung der Dienstleistungen für die Kunden am Finanzplatz Frankfurt und weltweit konzentrieren, die technische Infrastruktur ausbauen, die Börsenkonsolidierung in Kontinentaleuropa wie auch die Internationalisierung vorantreiben sowie aussichtsreiche Geschäftsfelder wie das Datengeschäft ausbauen - und muss bei all dem nicht vor Quartalsschwankungen des Aktienkurses zittern. Wenn Börse-Vorstandschef Carsten Kengeter dies unter "Börse 4.0" versteht und für Aufbruchstimmung sorgt, wird er eine Zukunft an der Spitze des Frankfurter Börsenbetreibers haben.

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