Börsen-Zeitung: Ganz behutsam, Kommentar zu Merck von Walther Becker
Frankfurt (ots)
Wenn es um milliardenschwere Transaktionen geht, ist die Darmstädter Merck ganz vorne mit dabei. Das haben nicht zuletzt die 17 Mrd. Dollar belegt, die das Dax-Unternehmen vor drei Jahren für den Laborausrüster Sigma-Aldrich lockergemacht hatte. Wenn es aber um die Neuordnung des Portfolios geht, dann ist die familiär dominierte Gruppe eher zurückhaltend.
So geht Merck seit vielen Jahren bekanntlich einen anderen Weg als Rivalen und hält daran fest, Chemie und Pharma unter einem Dach zu managen. Dem Vorstand geht es vorwiegend um Risikodiversifizierung und nicht darum, sich bei Investoren als ganz clean und aufs Kerngeschäft fokussiert zu profilieren. Und das muss Merck auch nicht, denn die Familiengesellschafter, die 70 Prozent halten, haben ihr Vermögen in der Firma konzentriert. Folglich diversifiziert Merck in der Palette der Aktivitäten.
Und die heißen heute längst nicht mehr Pharma und Chemie, sondern auf gut Südhessisch Healthcare als größte Division, Life Science (Produkte und Dienstleistungen für Forschung und Analyse) und Performance Materials (unter anderem Flüssigkristalle und OLED-Materialien für Displays, Materialien zur Produktion von integrierten Schaltkreisen). Dabei hat diese kleinste Sparte die mit Abstand höchste operative Marge.
Zehn Jahre ist es her, dass Merck ihr Generikageschäft an Mylan für 4,7 Mrd. Euro verkauft hat. Nun setzt CEO Stefan Oschmann, der zuvor die Pharmasparte des Konzerns geleitet hatte, bei einem Teil von Healthcare das Skalpell an: Es werden "strategische Optionen" für das Geschäft mit rezeptfreien Mitteln "geprüft". Im Klartext: Die Tage dieser Sparte sind gezählt. Denn im Vergleich mit anderen Anbietern ist sie arg klein, und das eher skaleneffektgetriebene Geschäft mit OTC-Produkten passt nicht zu Oschmanns strategischen Zielen für Merck, nachdem die Darmstädter sich nach jahrelanger Durststrecke und zahlreichen Fehlschlägen mit neuen verschreibungspflichtigen Medikamenten zuletzt stärker zurückgemeldet haben.
Für Merck wird es zunehmend schwieriger, die Einheit zu finanzieren, um die nötige Größe zu erreichen, zumal der Schuldenabbau Vorrang hat. Merck ist auf dem Weg, sich zu einem Wissenschafts- und Technologieunternehmen zu entwickeln - was zugegebenermaßen auch besser klingt als Pharma plus Chemie. Die Trennung vom Konsumentengeschäft sowie zuvor der Verkauf der Biosimilars wird Merck mit behutsamen Schritten auch bei nichtfamiliären Investoren attraktiver machen.
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