Börsen-Zeitung: Im Bullen-Modus, Marktkommentar von Dietegen Müller
Frankfurt (ots)
Für das Kapitalmarktgeschäft zeichnet sich ein goldener Herbst ab. Hendrik Riehmer, persönlich haftender Gesellschafter der Hamburger Privatbank Berenberg, erwartet das beste vierte Quartal seit der Finanzkrise, wie er am Freitag in Frankfurt sagte. Die Bank selbst sei mit sieben Transaktionen gar auf Rekordkurs, orakelt er, obwohl die Eier ja noch nicht gelegt sind. Die Zuversicht ist also sehr hoch, womit Riehmer sich im Einklang mit der vom Analysehaus Sentix ermittelten Marktstimmung befindet, denn das Vertrauen in europäische Aktien ist laut der aktuellen Umfrage auf ein Jahreshoch gestiegen. Die gute Stimmung scheint um den Globus herum feststellbar: Auch der MSCI All Country World Index ist am Mittwoch auf ein Rekordhoch geklettert.
Es gebe eine gute Mischung von Initial Public Offerings und Kapitalmaßnahmen, sagt Riehmer und ist "bullish" für die Aktienmärkte: In den kommenden neun Monaten gelte "freie Fahrt". Die Finanzierungsbedingungen blieben günstig, während das Konjunkturwachstum und damit die Gewinne unterschätzt werden könnten. So sei der globale Gütertransport in diesem Jahr bisher um 7% gewachsen und signalisiere ein stärkeres Wachstum. Laut Riehmer dürfte der Dax bis Ende Juni 2018 um fast 10% auf 13700 Punkte anziehen, der EuroStoxx 50 auf 3850 Zähler. Selbst für den S&P 500 erwarten die Hamburger einen weiteren Anstieg bis auf 2600 Punkte.
"Sehr viel Liquidität"
Auch die Investmentbank Goldman Sachs ist sehr zufrieden mit ihrem Kapitalmarktgeschäft, wie Jörg Kukies, Co-Chef Deutschland, betont. "Optimismus heißt das Keyword", sagt er. Es gebe eine "sehr gesunde Nachfrage", und es sei "sehr viel Liquidität" im Markt vorhanden. So erwartet Kukies eine rege Transaktionstätigkeit, unter anderem von Börsengängen junger Unternehmen oder von Private Equity vorangetrieben. Die Stimmung habe zugunsten Europas gedreht, insbesondere seitens US-Investoren. Politische Risiken seien in den Hintergrund gerückt. So gebe es derzeit einen Konsens, dass Italien die Verschuldung in den Griff kriege. Der Brexit sei nun akzeptiert, und nur ein "Super-GAU" in den Verhandlungen dürfte noch zu einer größeren Verunsicherung im Markt führen, so der Co-Chef Deutschland. Bisher werde Europa aber trotz der Zuflüsse in vielen internationalen Portfolios erst "neutral" gewichtet, dementsprechend bestehe noch Aufwärtspotenzial.
Kukies ist entspannt, was die Verschuldungslage anbelangt. Es gebe keinen großen Hebel in den Bilanzen von Finanzdienstleistern und Unternehmen. "Es ist schwer, einen Sektor zu finden, in dem Anleihen nicht nachgefragt werden", meint er etwa mit Blick auf die 16-Mrd.-Dollar-Emission, die der Online-Händler Amazon begeben hat (vgl. BZ vom 17. August). Es sei zwar eine weitere Durationsverlängerung festzustellen, doch nicht mehr in derselben Geschwindigkeit wie früher - wobei der Deutschland-Co-Chef in diesem Zusammenhang auch auf die Solvabilitätsanforderungen unter Solvency II verweist, die im Versicherungssektor zu einer Tendenz zu längeren Durationen geführt haben.
Wachsende Gewinne und im Vergleich zu Renten günstige Bewertungen von Aktien sowie der Ausschluss einer baldigen Zinsanhebung durch die Europäische Zentralbank regen die Fantasie der Bullen an. Dass die Bewertungen wenigstens im Dax nicht extrem sind, lässt sich am vorauslaufenden Kurs-Gewinn-Verhältnis zeigen: Laut Bloomberg beträgt das KGV auf Basis der Gewinnschätzungen für die nächsten zwölf Monate rund 13.
So steile Ansagen wie oben sind ein sicheres Indiz, dass bereits eine gewisse Schaumbildung im Markt anläuft. Das Tandem Berenberg und Goldman Sachs platziert denn als Disclaimer auch, der Markt preise Risiken derzeit als sehr gering ein, die Entwicklung in China sei schwierig zu entschlüsseln und die US-Geldpolitik könne womöglich durch mehr Zinserhöhungen überraschen. Nimmt man den Disclaimer zum Nennwert, heißt dies, entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu ziehen ist derzeit kaum jemand bereit. The show must go on.
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