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Börsen-Zeitung: Pragmatismus siegt, Kommentar zur Zinswende in Großbritannien von Andreas Hippin

Frankfurt (ots)

Der Geschichte von der Zinswende droht zunehmend das gleiche Schicksal wie der großen Erzählung vom Populismus. Was wurde im vergangenen Jahr nicht alles über einen Kamm geschoren, um zu einer stimmigen Story zu kommen: Brexit, Trump, Le Pen, selbst die niederländische Freiheitspartei musste herhalten, um Ängste vor einem weltweiten Durchmarsch rechter und völkischer Kräfte heraufzubeschwören. Am Ende ließen die Wahlergebnisse die Sorgen vor einer Machtergreifung der Nationalen in Europa verpuffen. Die Welt war doch nicht simpel genug für das Erklärmuster, das man ihr überstülpen wollte.

Nun soll unter Berufung auf die nahezu simultane Erholung der Weltwirtschaft eine globale Zinswende herbeigeredet werden. Nach der Federal Reserve galt ausgerechnet die Bank of England als nächste größere Notenbank, der nach einer Reihe guter Konjunkturdaten zugetraut wurde, den Einstieg in den Ausstieg aus den während der Finanzkrise eingeleiteten geldpolitischen Notstandsmaßnahmen zu schaffen. Schließlich sei die Inflation im Vereinigten Königreich weit über den Zielwert der Zentralbank hinausgeschossen, lautete die mechanistische Argumentation dahinter.

Dabei wurde vergessen, dass der Preisauftrieb größtenteils importiert wurde. Die Reallöhne sanken. Schon vor Jahren zeigte sich, dass selbst eine stark rückläufige Arbeitslosigkeit in Großbritannien nicht zu Lohndruck führt. Die Phillips-Kurve, die diesen Zusammenhang zu belegen sucht, kann getrost dem Reich der Parawissenschaften zugeordnet werden. Die Notenbank, die eigentlich die Arbeitslosenquote zur Richtschnur der Geldpolitik machen wollte, suchte sich längst neue Parameter. Nun hat sie den Zinsschritt vollzogen, der nach entsprechenden Ankündigungen von Zentralbankchef Mark Carney unvermeidlich geworden war. Dabei machte sie allerdings keinerlei Hoffnung darauf, dass den nun verkündeten 25 Basispunkten bald weitere Zinserhöhungen folgen werden.

Carney ist weder ein Geschichtenonkel, noch hat er seine Entscheidungen in der Vergangenheit an den realitätsfernen Rechenmodellen seiner Volkswirte ausgerichtet. Er braucht beim Leitzins Spielraum nach unten, sollte der EU-Austritt chaotischer verlaufen als gedacht. Zudem will er vermeiden, dass in der Boulevardpresse die Abwertung der Landeswährung hochgespielt wird. Pragmatismus siegt: Die Bank of England erhöhte den Leitzins, aber nur so viel wie unbedingt nötig, um keine Irritationen am Markt aufkommen zu lassen.

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