All Stories
Follow
Subscribe to Börsen-Zeitung

Börsen-Zeitung

Neue Sorgen um Nasdaq
Kommentar zu Risiken an der Tech-Börse von Alex Wehnert

Frankfurt (ots)

Inzwischen hat die zurückgekehrte Unsicherheit an den Märkten auch den Nasdaq 100 erreicht. Der US-Index hat seit der Wochenmitte Einbußen hinnehmen müssen - dabei hatte er sich zuletzt in einem schwankungsanfälligen Marktumfeld besonders fest gezeigt. Tatsächlich bleibt er weiterhin der einzige der großen US-Indizes, der seit Jahresbeginn gerechnet im Plus liegt - und auch sein im Februar erreichtes Allzeithoch ist für den Nasdaq 100 schon wieder in Sichtweite. Die übergeordnete bullishe Stimmung im Marktsegment zeigt sich auch darin, dass die Bewertungen eine kräftige V-förmige Erholung hingelegt haben.

So hatte sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis im Index auf Basis von Zwölfmonatsprognosen zwischen März 2009 und Februar des laufenden Jahres von 12 auf 25 ausgeweitet, nur um auf 18 einzubrechen - mittlerweile liegt es laut der Commerzbank wieder bei 27. Nach einem derart steilen Anstieg der Bewertungen sei zu erwarten, dass die jüngste Marktrally an Momentum verlieren und in den kommenden Wochen auslaufen werde. Denn der Optimismus der Marktteilnehmer stütze sich weiterhin nicht auf eine fundamentale Stärke, sondern vorrangig auf die Effekte der expansiven Fed-Geldpolitik.

Ob dieses Argument auch für den Nasdaq 100 gilt, darf aber durchaus bezweifelt werden. Zwar ist dieser anders als häufig beschrieben kein reiner Technologieindex und beinhaltet auch stark von der Krise betroffene Titel wie United Airlines. Allerdings haben Tech- und Online-Riesen wie Apple, Microsoft, Amazon und die Google-Mutter Alphabet bei weitem das größte Gewicht im Nasdaq 100 und machen 50% der Marktkapitalisierung aus. Und diese Unternehmen sind bislang nur in äußerst geringem Umfang von den Folgen der Coronakrise betroffen. Sie alle verzeichneten im ersten Quartal ein Umsatzwachstum. Gerade Amazon gehört zu den großen Krisenprofiteuren. Schließlich verfügt das Unternehmen über eine dominante Position im Internet-Einzelhandel, der in Lockdown-Zeiten enorm an Zulauf gewonnen hat. Überstrahlt wird die Amazon-Aktie im Nasdaq 100 in Bezug auf coronabedingte Gewinne noch von Zoom. Das Papier des Videochat-Anbieters liegt im laufenden Jahr mit über 150% im Plus.

Neben der Performance in der Krise scheint auch der langfristige Erfolg für den Nasdaq 100 zu sprechen. Laut dem Vermögensverwalter Unigestion weisen die im Index vertretenen Unternehmen nicht nur ein überdurchschnittliches Umsatzwachstum auf, sondern haben in den vergangenen fünf Jahren auch anderthalbmal höhere Gewinnspannen als die Unternehmen des S&P 500 erzielt.

Während der Nasdaq 100 laut dem Assetmanager DNB zwischen 1985 und 2019 eine jährliche Rendite von 13,5% aufgewiesen hat, ist der S&P 500 im gleichen Zeitraum im Schnitt nur auf 11% gekommen. Der Tech-Sektor bleibe weiterhin interessant, da viele Branchen über Innovationen wie 5G und künstliche Intelligenz ihre Produktivität zu verbessern suchten.

Allerdings stellt die hohe Gewichtung einiger weniger Tech-Werte im Nasdaq auch ein Konzentrationsrisiko dar. Mittelfristig würde ein demokratischer Sieg bei den US-Präsidentschaftswahlen laut Unigestion zudem die Wahrscheinlichkeit einer stärkeren Regulierung der US-Tech-Industrie ernsthaft erhöhen. Kurzfristig liegt die größte Gefahr aber wohl in den wieder aufkeimenden Spannungen im Streit zwischen Washington und Peking. Gerade der Nasdaq könnte unter einem wiederaufflammenden Handelskonflikt leiden, exportieren die USA neben Rohstoffen doch vor allem höherwertige Waren und Dienstleistungen nach China. Bereits jetzt gehen die bisher beschlossenen verschärften Exportkontrollen aber am US-Technologiesektor nicht spurlos vorüber.

(Börsen-Zeitung, 23.05.2020)

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

Original content of: Börsen-Zeitung, transmitted by news aktuell

More stories: Börsen-Zeitung
More stories: Börsen-Zeitung
  • 21.05.2020 – 18:50

    Höchste Zeit / Kommentar zur Staatshilfe für die Lufthansa von Lisa Schmelzer

    Frankfurt (ots) - Die Lufthansa sah sich in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag genötigt, per Ad-hoc-Mitteilung über den Stand ihrer Verhandlungen mit der Bundesregierung zu berichten. Denn die Spekulationen über den Stand und den Inhalt der Gespräche waren ins Kraut geschossen, das sorgte für Unruhe bei Investoren, Mitarbeitern und Kunden. Nun ist klar, dass ...

  • 19.05.2020 – 20:30

    Wenig Perspektive, Kommentar zu Thyssenkrupp von Annette Becker

    Frankfurt (ots) - Thyssenkrupp wirft Ballast ab. Rund ein Viertel des Umsatzes steht zum Verkauf. Wachstum und Schuldenabbau sind das Ziel. Da sage noch einer, Geschichte wiederholt sich nicht. Die drei Sätze waren im Mai 2011 Schlagzeilen in der Börsen-Zeitung. Damals hatte der seit Jahresbeginn amtierende Vorstandschef Heinrich Hiesinger ein erstes Strategiekonzept zur Neuausrichtung des Konzerns vorgestellt. Auch ...

  • 18.05.2020 – 20:30

    Teures Vergnügen, Kommentar zur Deutschen Telekom von Heidi Rohde

    Frankfurt (ots) - Was lange währt, wird endlich gut: Dies war die Botschaft der Telekom an ihre Investoren, als T-Mobile US und Sprint nach fast zwei Jahren endlich sämtliche Hürden für ihren Zusammenschluss aus dem Weg geräumt hatten. Dazu zählten auch die finanziellen Nachverhandlungen mit Softbank angesichts verschobener Kräfteverhältnisse zwischen den beiden US-Mobilfunkunternehmen, die die Telekom erst im ...