Krise ohne Knall, Kommentar zur Fondsbranche von Jan Schrader
Frankfurt (ots)
Die Erde hat schon viele Katastrophen gesehen: Eiszeiten, ein Kometeneinschlag vor 65 Millionen Jahren und das Chaos des Anthropozäns haben ein Massensterben ausgelöst und eine Neuordnung angestoßen. Auch die Wirtschaft kennt das Element der Zerstörung. In der Coronakrise fürchten viele Unternehmen um ihr Überleben, ganze Märkte ordnen sich neu.
Inmitten dieser Turbulenzen steht die Fondsbranche unter Druck. Die Erinnerungen an frühere Krisen sind wach: Das Platzen der Dotcomblase nach der Jahrtausendwende brachte die Aktienanlage und damit auch das Fondssparen in Verruf, die Finanzkrise ging mit hohen Wertverlusten einher und läutete den Garaus für etliche offene Immobilienfonds ein. Daher erscheint es auf den ersten Blick dramatisch, wenn eine Krise erst die Werte der Fondsvermögen dezimiert und dann das Neugeschäft unter Wasser setzt, und zwar auch den Absatz der Spezialfonds, die seit Jahren hohe Zuflüsse verzeichnet haben.
Und doch verläuft die Krise diesmal ohne Knall. Es gibt keine Vertrauenskrise, so dass der Absatz diesmal nur kurz eingeknickt ist und sich - ebenso wie die Börsenkurse - rasch erholt hat.
Immobilienfonds stehen in der Coronakrise perspektivisch zwar unter Druck, doch eine Vertrauenskrise wie vor mehr als zehn Jahren ist nach der Reform des Segments unwahrscheinlich. Die hohen Abflüsse im Spezialfondssegment dürften für kleine Fondsanbieter schmerzhaft sein, doch der Bedarf nach diesem Instrument wird auch in der Krise nicht versiegen. Die privaten Sparer haben, anders als früher, nicht die Lust auf Fonds verloren, wie die rasche Erholung im zweiten Quartal zeigt. Und da sich die gesamte Wirtschaft neu ordnet, fällt auch die Rolle der Fonds als Geldgeber neu ins Gewicht, was sich auch in der Debatte über die nachhaltige Kapitalanlage zeigt.
Diese Krise verläuft für die Branche ohne Knall - eine Neuordnung ist gleichwohl nicht ausgeschlossen. Wenn Bankfilialen geschlossen bleiben, wird das den digitalen Vertrieb stärken, und wenn Investoren rasch Geld verschieben, können die breit aufgestellten wie auch die sehr effizient wirtschaftenden Häuser ihren Vorteil ausspielen. Die lange Aufschwungphase an den Börsen, die das Geschäft wesentlich getrieben hat, lässt sich ebenfalls nicht in die Zukunft fortschreiben. Einige Fondshäuser haben schon den Rotstift gespitzt, Marktbeobachter rechnen mit Fusionen. Eine Krise muss keinem Kometeneinschlag gleichen, um evolutionäre Prozesse zu beschleunigen. Das wird auch die Branche spüren.
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