All Stories
Follow
Subscribe to Börsen-Zeitung

Börsen-Zeitung

Ein Echo von 2008, ein Kommentar von Andreas Hippin zu Greensill

Frankfurt (ots)

Was hatten der spanische Ökostromerzeuger Abengoa, der Rohstoffhändler Agritrade aus Singapur und der Privatklinikbetreiber NMC Health aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gemeinsam? Sie alle nahmen die Dienste des australischen Fintech-Einhorns Greensill Capital in Anspruch, bevor sie auf mehr oder weniger spektakuläre Weise unter ihren Schulden zusammenbrachen. Sieht man sich die Details an, werden Erinnerungen an 2008 wach.

Wieder geht es um verbriefte Verbindlichkeiten, durch die Risiken verschleiert und auf intransparente Weise im Finanzsystem verteilt wurden. Bei den Subprime-Krediten waren es Ratingagenturen, die ihr Gütesiegel erteilten. Bei Forderungen aus der Lieferkettenfinanzierung geben Versicherer ihr Plazet. Erst als Tokyo Marine nicht mehr mit dabei sein wollte, bekam man bei der Credit Suisse kalte Füße und zog den Stecker. Zuvor hatte sich das Assetmanagement der Schweizer Großbank noch bei der Suche nach Anlagemöglichkeiten für ihre Supply-Chain-Finance-Fonds auf Greensill Capital verlassen.

Das Modell der Lieferkettenfinanzierungen gibt es schon lange. Die zunehmende Digitalisierung hat ihre Nutzung vereinfacht. Das Prinzip ist denkbar einfach: Ein Unternehmen lässt seine Lieferanten und andere Gläubiger von einem Zwischenfinanzierer wie Greensill Capital bezahlen, der ihm den Betrag erst später zuzüglich Gebühren in Rechnung stellt. Es kann auch viel später werden. Ob es sich bei solchen Außenständen um Schulden handelt, ist umstritten. Seitens der Standardsetzer für die Rechnungslegung gibt es bislang keine klaren Handreichungen dazu, wie Reverse Factoring oder Lieferkettenfinanzierungen zu behandeln sind. Ein Blick in die Bilanz zeigt deshalb nicht unbedingt, ob ein Unternehmen darauf zurückgreift.

Findigen Finanzchefs eröffnet das Konstrukt ungeahnte Möglichkeiten. Der Cash-flow lässt sich schönen, die Außenstände erscheinen niedriger, und der tatsächliche Verschuldungsgrad wird verschleiert. Die Ratingagentur Moody's warnte schon 2015 vor den schuldenähnlichen Qualitäten des Reverse Factoring. Auch Carillion, die Nummer 2 der britischen Baubranche, betrieb vor ihrem Kollaps Supply Chain Finance.

Will der Gesetzgeber Abhilfe schaffen, helfen nur klare Vorgaben dazu, wie die Nutzung solcher Instrumente offengelegt werden muss. Ausreichend Beispiele dazu, was alles passieren kann, wenn man stattdessen Hasardeuren das Feld überlässt, gibt es ja bereits.

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069-2732-0
www.boersen-zeitung.de

Original content of: Börsen-Zeitung, transmitted by news aktuell

More stories: Börsen-Zeitung
More stories: Börsen-Zeitung
  • 08.03.2021 – 20:30

    Kaugummi-Krise, ein Kommentar von Bernd Neubacher zu Kreditausfällen

    Frankfurt (ots) - Exakt ein Jahr ist es her, dass die Dimension der Corona-Pandemie schlagartig ins Bewusstsein der Finanzmarktteilnehmer trat. Am 9. März 2020 legte der Dax den größten Tagesverlust seit dem 11. September 2001 hin. Sicher: Nur die kühnsten Optimisten dürften damals geglaubt haben, die Seuche werde binnen Jahresfrist ausgestanden sein. Wer aber ...

  • 05.03.2021 – 19:10

    Der Coup der Opec / Kommentar zur Entwicklung des Ölpreises von Dieter Kuckelkorn

    Frankfurt (ots) - Mit dem Ergebnis des jüngsten Ministertreffens ist dem Produzentenkartell "Opec plus" ein Überraschungscoup gelungen. Die Mehrzahl der professionellen Ölmarktbeobachter ist davon ausgegangen, dass die Staatengruppe die Produktion um 1,5 Mill. Barrel pro Tag (bpd) anhebt. Dazu ist es jedoch nicht gekommen. Zumindest für den Monat April wird die ...

  • 04.03.2021 – 20:30

    Die Quadratur des Kreises, ein Kommentar von Lisa Schmelzer zur Lufthansa

    Frankfurt (ots) - Die Lufthansa hat im vergangenen Jahr Verluste von 6,7 Mrd. Euro angehäuft und verbrennt nach wie vor jeden Tag 10 Mill. Euro. Und dennoch ist Konzernchef Carsten Spohr zuversichtlich. Denn die Impfungen gegen Covid-19 werden zusammen mit einer ausgeweiteten Teststrategie ab Sommer vermutlich zu einer anziehenden Nachfrage führen. Das gilt sicher ...