Der Hohn der Märkte
Kommentar zur Entwicklung der Immobilienpreise von Jan Schrader.
Frankfurt/M. (ots)
Erfolg in der Kapitalanlage ist scheinbar leicht: Man muss es nämlich einfach nur fertigbringen, zur richtigen Zeit in die richtigen Vermögenswerte zu investieren! Am Immobilienmarkt wäre der Erfolg nahezu sicher gewesen, wenn man nur früh genug die Finger von Büroobjekten und erst recht von Einzelhandelsimmobilien gelassen hätte - und stattdessen früh das Potenzial der Wohnhäuser gesehen hätte. Der Vorteil in der Kapitalanlage wäre binnen kurzer Zeit immens gewesen, denn seit Beginn der Coronakrise haben Mehrfamilienhäuser, mit denen auch große Investoren gerne ihre Portfolios schmücken, um mehr als ein Zehntel an Wert gewonnen, während Büroobjekte nach Jahren des Booms an der Nullmarke entlangkrebsen und Einzelhandelsobjekte tiefer und tiefer absacken.
Natürlich wäre dieser Erfolg nicht leicht, sondern durch Zufall verdient gewesen, denn Marktumbrüche dieser Art sind freilich nicht vorhersehbar. Aber fachsimpeln kann über diese Entwicklung fast jeder, denn rückblickend ergibt wieder einmal alles Sinn: Seit Beginn der Coronakrise haben die Notenbanken eine Zinswende auf ewig verschoben, die Bauzinsen haben zwischenzeitig ein neues Tief erreicht, die Menschen sitzen mangels Konsummöglichkeiten auf viel Geld und die Banken und Sparkassen erheben auf große Bestände auch noch ihr "Verwahrentgelt". Es ist kein Wunder, dass mehr Menschen ihr Geld in eine Wohnimmobilie stecken. Und die Misere der Büros und Einzelhandelsobjekte wiederum lässt sich treffend mit den Schlagworten "Homeoffice" und "Onlinehandel" beschreiben, auch das ist - rückblickend - glasklar. Nur hilft die Beschreibung der Vergangenheit für künftige Entscheidungen leider kaum weiter. Sobald sich ein Phänomen manifestiert, ist es oft genug auch schon in den Preisen enthalten. Auf ewig hintenan - das ist der Hohn der Märkte.
Es mutet daher merkwürdig an, wenn Investoren nun erklären, Wohnimmobilien stärker zukaufen zu wollen. Den schon erfolgten Rekord im Preiszuwachs sparen sie jedenfalls nicht mehr ein, und ob Wohnobjekte auch in Zukunft so erfolgreich sind, weiß niemand. Eine Prognose zu den Segmenten wäre gewagt, auch die Marktstatistiker des Pfandbriefbankenverbands VDP halten sich zurück. Immerhin muss ein Investor nicht jeden Spott hinnehmen: Er kann mittels breiter Streuung die schlimmstmöglichen Verluste umgehen. Schwache Marktphase hin oder her, Büros und Einzelhandelsobjekte haben in einem Immobilienportfolio auch künftig einen Platz verdient.
(Börsen-Zeitung, 11.08.2021)
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