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Draghi muss liefern, Kommentar zur italienischen Finanzpolitik von Gerhard Bläske

Mailand (ots)

Mit dem Amtsantritt von Premierminister Mario Draghi im Februar hat sich ein dramatischer Stimmungswandel in Italien vollzogen. Dank drastischer Maßnahmen ist es ihm gelungen, die Impfquote massiv zu erhöhen und so die Coronavirus-Pandemie einzudämmen. Im In- und Ausland genießt Draghi große Wertschätzung. Die positive Entwicklung manifestiert sich auch in den Wachstumsraten.

Das Kabinett hat nun die Wirtschaftsplanung verabschiedet, die Grundlage für den Entwurf des Haushaltsgesetzes 2022 ist. Demnach wächst das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 6 Prozent und 2022 um 4,7 Prozent. Die Steuereinnahmen sprudeln, die Ausgaben sind niedriger als erwartet. Das Haushaltsdefizit wird 2021 "nur" 9,4 Prozent betragen statt der ursprünglich erwarteten 11,8 Prozent, und die Gesamtverschuldung sinkt gegenüber 2020 von 155,8 Prozent auf 153,3 Prozent. Für den Haushalt 2022 stehen 22 Mrd. Euro mehr zur Verfügung als erwartet.

Das sind gute Nachrichten aus dem Land, das den weitaus größten Teil der Mittel des europäischen Wiederaufbauprogramms erhält. Weniger gut ist, was mit den 22 Mrd. Euro passieren soll. Denn das Geld soll vor allem in soziale Maßnahmen etwa zur Abfederung der steigenden Energiepreise, in Wirtschaftshilfen, wohl auch in Steuersenkungen sowie womöglich in neue Vorruhestandsregelungen fließen. Draghi ist der Auffassung, der Aufschwung sei noch nicht gefestigt. "Es ist die Zeit zu geben, nicht zu nehmen", sagt er. Es brauche weiter eine expansive Budgetpolitik. Erst von 2024 an könne man zu einer neutraleren Haushaltspolitik zurückkehren. Die Reduzierung der Schulden auf das Vorkrisenniveau von 134,8 Prozent kann laut Finanzminister Daniele Franco warten - bis 2030.

Das sind keine guten Nachrichten. Denn dass Italien so gute Wirtschaftszahlen aufweist, liegt nicht nur an Draghi allein. Es liegt daran, dass das Land mehr als 200 Mrd. Euro aus Europa erhält. Und dass die Zinslast für den gigantischen Schuldenberg so gering ist, hat Rom einzig der Europäischen Zentralbank zu verdanken. Auch gegenüber den europäischen Partnern wäre es deshalb ein Gebot der Stunde, die expansive Politik früher zu beenden und eine ehrgeizigere Politik der Schuldenreduzierung zu verfolgen. Auch bei der Umsetzung der Reformen hinkt Rom hinterher. Für Italiens Glaubwürdigkeit ist es entscheidend zu liefern. Draghi wird längstens noch eineinhalb Jahre Regierungschef sein. Danach wird das Land wohl wieder von fragilen Parteienbündnissen regiert.

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