All Stories
Follow
Subscribe to Börsen-Zeitung

Börsen-Zeitung

4,1 Prozent, Kommentar zur Inflation von Mark Schrörs

Frankfurt (ots)

Jetzt steht also in Deutschland bei der Inflation eine 4 vor dem Komma. Ganz konkret lag die Teuerung im September bei 4,1 Prozent - der höchste Wert seit fast 28 Jahren. Und in den nächsten Monaten könnte es noch auf 5 Prozent gehen - womit jene Marke ge­knackt wäre, bei der laut der von der bayerischen CSU propagierten "Inflationsbremse" die Europäische Zentralbank (EZB) "handeln muss". Ganz so leicht wie in der Weißwurscht-Ökonomie er­­dacht ist es aber doch nicht.

Zunächst einmal und allem voran: Für Inflationspanik be­steht aktuell kein Anlass. Vieles spricht dafür, dass zumindest die aktuellen Inflationsniveaus temporär sind und sie schon im kommenden Jahr wieder etwas sinken. Vergleiche mit den "Weimarer Verhältnissen" der 1920er Jahre mit Hyperinflation sind da in der Tat überzogen. Richtig ist aber auch, dass künftig strukturell wieder mit mehr Inflation zu rechnen ist als in den vergangenen Jahren. Nun hat Inflation zwar auch in Deutschland einige Gewinner. Es gibt aber auch viele Verlierer, und das vor allem in der Mittelschicht. Es gilt, diese Sorgen ernst zu nehmen - und wo nötig und möglich zu handeln.

Diese Mahnung richtet sich zunächst an die EZB. Die Euro-Granden dürfen solche Ängste nicht wegwischen. Vor allem aber sollten sie das Inflationsrisiko nicht leichtfertig abtun. Die Geschichte lehrt, dass selbst eine aufgrund von Sonderfaktoren ei­­gentlich nur vorübergehende In­flation schnell zum permanenten Problem werden kann, wenn sie nur lange genug andauert. Die EZB muss da in ihrer Kommunikation klar(er) machen, dass sie notfalls alles tun wird, das zu verhindern - und dann auch handeln. Das gilt umso mehr, als nicht nur eine straffere Geldpolitik den Aufschwung bremsen kann. Auch eine anhaltend hohe Inflation wirkt etwa über die Verunsicherung der Unternehmen und die Kaufkraftverluste der Konsumenten als mächtiger Bremsklotz für die Konjunktur.

Aber auch die Politik ist ge­fragt. Ökonomisch irrsinnige Vorschläge wie ein quasi automatisches Gegensteuern der EZB ab 5 oder X Prozent Inflation à la CSU-Chef Markus Söder helfen niemandem und sind potenziell brandgefährlich. Stattdessen muss die Politik ernsthaft darüber nachdenken, wie sie notfalls Bürger und Unternehmen entlasten kann, wenn etwa wie derzeit die Gaspreise explodieren. Generell braucht es beim Übergang in die CO2-neutrale Wirtschaft mehr Fokus auf mögliche soziale Härten. Und es braucht dringend bessere Anreize für die private Altersvorsorge und eine bessere Finanz- und Vermögensbildung. Dass die Deutschen bei Inflation besonders ächzen, hat auch damit zu tun, dass sie ihr Geld sehr ineffizient anlegen.

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

Original content of: Börsen-Zeitung, transmitted by news aktuell

More stories: Börsen-Zeitung
More stories: Börsen-Zeitung
  • 29.09.2021 – 20:30

    Draghi muss liefern, Kommentar zur italienischen Finanzpolitik von Gerhard Bläske

    Mailand (ots) - Mit dem Amtsantritt von Premierminister Mario Draghi im Februar hat sich ein dramatischer Stimmungswandel in Italien vollzogen. Dank drastischer Maßnahmen ist es ihm gelungen, die Impfquote massiv zu erhöhen und so die Coronavirus-Pandemie einzudämmen. Im In- und Ausland genießt Draghi große Wertschätzung. Die positive Entwicklung manifestiert ...

  • 28.09.2021 – 19:50

    Heikle Verquickung / Kommentar zu den Tarifverhandlungen im Bankgewerbe von Anna Sleegers

    Frankfurt (ots) - Die aktuelle Tarifverhandlung für das private Bankgewerbe erinnert mehr und mehr an einen Familienstreit. Statt der üblichen Auseinandersetzung um Prozentpunkte und Wochenarbeitsstunden scheint diesmal der Umbau im Privatkundengeschäft der Commerzbank Dreh- und Angelpunkt der Gespräche zu sein. Dieser aus Sicht der kleineren Mitglieder des ...