Zu kurz gedacht, Kommentar zu Automobilherstellern von Sebastian Schmid
Frankfurt (ots)
Bei Audi stehen in den deutschen Werken in Neckarsulm und Ingolstadt einmal mehr die Bänder still. Eine Meldung, die vor nicht allzu langer Zeit für Irritationen gesorgt hätte, verursacht 2021 kaum mehr als ein Schulterzucken. Der globale Chipmangel zwingt mittlerweile fast alle Hersteller, ihre Produktionsziele regelmäßig nach unten zu korrigieren.
Der globale Chipmangel hat indes nicht nur geringere Produktionsvolumina, sondern auch eine dramatische Verschiebung im Produktmix zur Folge. So sind bei Audi etwa Brot-und-Butter-Modelle wie A4 und A6 von der Produktionspause betroffen, während die Luxus-Sportwagen-Modelle R8 und E-Tron GT weiter gefertigt werden. Der R8 ist ab rund 200 000 Euro zu haben, der E-Tron GT ab gut 100 000 Euro. Auch bei Wettbewerbern wie Mercedes und BMW werden die zunehmend spärlich verfügbaren Elektronikbauteile gezielt margenstärkeren und damit teureren Fahrzeugen zugeschlagen.
Der strategische Fokus auf das Luxussegment ist aus kaufmännischer Sicht nicht nur nachvollziehbar, sondern wohl auch geboten. Zumindest hat er sich im ersten Halbjahr, als die Chipprobleme noch weniger dramatisch waren, mit kräftigen Ergebnis- und Margenverbesserungen bereits bezahlt gemacht. Mit Blick auf die zu befürchtende Dauer des Halbleiterengpasses, den mancher Branchenkenner bis 2023 erwartet, sollten die Hersteller aber auch andere Erwägungen als finanzielle ins Kalkül einbeziehen.
Für Audi A4, Mercedes C-Klasse und BMW-3er-Reihe ist der Hauptrivale in vielen Märkten Teslas Model 3. Kunden von Audi Q5, BMW X3 und Mercedes GLC dürften derweil das Model Y als Alternative auf dem Radar haben. Stellen die deutschen Hersteller die Geduld ihrer Basiskundschaft mit wachsenden Lieferzeiten zu sehr auf die Probe, drohen Stammkunden zu den Kaliforniern zu gehen.
Denn der Konzern von CEO Elon Musk scheint trotz Chipkrise derzeit keine Probleme zu haben, die Auslieferungen immer weiter hochzufahren, wie das rekordstarke dritte Quartal gezeigt hat. Bei Teslas Model 3 und Model Y verbessert sich die Verfügbarkeit stetig. Fahren auf Sicht sollte für die deutschen Autobauer daher keine Option mehr sein. Die Lage ist angespannt und strategischer Weitblick gefragt. Das kann heißen, sich zuweilen gezielt gegen das margenstärkere Produkt zu entscheiden. Viele R8-Kunden dürften zahlreiche Autos in der Garage haben und bei längerer Wartezeit nicht gleich abspringen. Kaum anzunehmen, dass dies bei vielen A4-Kunden ebenso ist.
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