Prinzipien und Pragmatismus, Kommentar zur Bundesbank von Mark Schrörs
Frankfurt (ots)
Nun ist es also offiziell: Der frühere Bundesbank- und Ex-KfW-Vorstand Joachim Nagel soll als Nachfolger von Jens Weidmann Präsident der Bundesbank werden. Die Ampel-Koalition hat damit eine exzellente Wahl getroffen. Entscheidend wird jetzt aber sein, dass Berlin Nagel in Europa auch den Rücken stärkt und ihn, anders als Weidmann, nicht so oft im Regen stehen lässt. Es muss darum gehen, die Europäische Zentralbank (EZB) - soweit noch möglich - zu entpolitisieren.
Nagel bringt ohne Frage viele Eigenschaften mit, die ihn geradezu prädestiniert erscheinen lassen für den Job: Als promovierter Ökonom und langjähriger Marktverantwortlicher im Bundesbankvorstand verfügt der 55-Jährige über reichlich volkswirtschaftliche und Finanzmarktexpertise. Zugleich weiß er als Ex-KfW-Vorstand und Vize-Abteilungsleiter Banken bei der Zentralbank der Zentralbanken BIZ bestens Bescheid über das Bankgeschäft. Und er kennt als Eigengewächs die Bundesbank und auch das Eurosystem aus dem Effeff. Lange Einarbeitungszeit wird er also kaum brauchen - was gut ist angesichts der immensen Herausforderungen, vor denen die EZB steht.
Geldpolitisch hat Nagel fraglos die Bundesbank-DNA verinnerlicht, und er steht folglich in der stabilitätsorientierten Tradition der Notenbank. Zugleich gilt er als pragmatisch. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass sich Nagel nicht einreiht in die Riege jener deutschen Notenbanker, die aus Frust über die ultralockere EZB-Politik vorzeitig aufgegeben haben. Aber auch für Nagel wird es sicher ein permanenter Spagat zwischen Prinzipientreue und Pragmatismus. Die strukturelle Mehrheit im EZB-Rat von Anhängern einer eher lockeren Geldpolitik braucht jedenfalls dringend auch weiter ein starkes Korrektiv. Das gilt im aktuellen Umfeld mit ernsten Inflationsgefahren. Und das gilt mit Blick auf langfristige Weichenstellungen. Die jüngsten Beschlüsse des EZB-Rats zur "Flexibilität" bei den Staatsanleihekäufen etwa lassen sich zugespitzt als Dauerkontrolle der Euro-Anleiherenditen und mithin implizite Solvenzgarantie für die Euro-Staaten interpretieren. Das steht aber nicht in Einklang mit dem EU-Vertrag.
Mit der Renaissance der Inflation ist jetzt allerspätestens die Zeit gekommen, dass die EZB aus der Rolle des Dauer-Ausputzers der Euro-Politik herauskommt und sich wieder auf ihre Kernaufgabe Preisstabilität konzentriert. Dazu muss sich auch Berlin ehrlich machen. Auch die deutsche Politik hat sich in den Krisen der vergangenen Jahre nur allzu gerne hinter der EZB versteckt, um unliebsame politische Entscheidungen zu vermeiden. Damit muss endgültig Schluss sein.
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