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Unter Vorbehalt, Kommentar zur EZB von Mark Schrörs

Frankfurt (ots)

Sosehr EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag auch das Gegenteil behauptete - die neuen Beschlüsse der Notenbank stellen sehr wohl eine Beschleunigung bei der Normalisierung der ultralockeren Geldpolitik dar. Die billionenschweren Anleihekäufe werden schneller gedrosselt als bislang avisiert, und erstmals steht ein mögliches Enddatum aller Anleihekäufe im Raum: das dritte Quartal. Angesichts der extremen Unsicherheit wegen des Ukraine-Kriegs war damit nicht unbedingt zu rechnen. Aber es ist absolut richtig, dass die EZB mit der Normalisierung voranschreitet.

Natürlich wird der fürchterliche Krieg auch in der Euro-Wirtschaft spürbaren Schaden an­richten. Wie groß dieser ausfällt, ist aber vollkommen offen und hängt von der weiteren Entwicklung in der Ukraine ab. Fundamental steht die Euro-Wirtschaft jedenfalls gar nicht so schlecht da. Vor allem aber: Der Krieg dämpft nicht nur das Wachstum, sondern heizt auch die ohnehin rekordhohe Inflation an. Selbst 6 Prozent oder 7 Prozent Inflation scheinen 2022 nicht mehr undenkbar - wohlgemerkt: nicht in der Spitze, sondern im Jahresdurchschnitt. Billionenschwere Anleihekäufe passen da schlicht nicht mehr in die Zeit.

Die EZB wäre aber nicht die EZB, wenn sie sich nicht allerlei Hintertürchen offenlassen würde - oder um es mit Lagarde zu sagen: sich "so viel Optionalität wie möglich" verschafft. Es ist also quasi eine Normalisierung un­ter Vorbehalt. Tatsächlich macht es in Krisen- und Kriegszeiten Sinn, sich Flexibilität zu bewahren. Wenn der Ukraine-Krieg noch in eine ausgewachsene Energie- und Wirtschaftskrise münden sollte, kann sich das Bild noch einmal komplett drehen. Die Beweislast für einen EZB-Kurswechsel läge dann jetzt aber richtigerweise bei jenen, denen die EZB-Geldpolitik eigentlich nie locker genug sein kann.

Die EZB darf sich auch dann auf keinen Fall voreilig in neue geldpolitische Abenteuer wie etwa eine Art "Kriegs-PEPP" stürzen. Die primäre Aufgabe der EZB ist und bleibt, für stabile Preise zu sorgen. Das wäre übrigens auch und besonders im Fall einer Stagflation der Fall. Die 1970er Jahre nach den Ölpreisschocks sollten da eine Lehre sein. Perspektivisch erfordert das auch steigende Leitzinsen.

Das bedeutet zugleich, dass die Hauptbürde bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen jetzt auf den Schultern der Regierungen und der Fiskalpolitik liegt. Dabei ist sicher finanzielle Solidarität in Europa angezeigt, weil die Länder von gemeinsam verhängten und als sinnvoll erachteten EU-Sanktionen gegen Russland unterschiedlich betroffen sind. Brüssel, Berlin, Paris & Co. - übernehmen Sie!

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