All Stories
Follow
Subscribe to Börsen-Zeitung

Börsen-Zeitung

Das Fanal, Kommentar zu Thyssenkrupp von Annette Becker

Frankfurt (ots)

Mit Thyssenkrupp zollt der erste namhafte deutsche Konzern den aktuellen Ereignissen Tribut: Die Prognose für den laufenden Turnus wird zumindest in Teilen ausgesetzt. Der Grund: die unabsehbaren Folgen des Ukraine-Kriegs. Hatten die europäischen Stahlaktien nach dem Beginn der Invasion Russlands im Nachbarland zunächst noch von der sich absehbar verschärfenden Stahlknappheit profitiert, zeigte sich recht schnell, dass diese Milchmädchenrechnung nicht aufgehen wird. Steigende Rohstoffpreise werden zunehmend zur Kostenfalle. Zugleich verschärft der Krieg die Lieferkettenprobleme. Das schlägt sich bei Thyssenkrupp in den Stahl- und Autozuliefergeschäften nieder.

Eines größeren geschäftlichen Engagements in der Kriegsregion bedarf es dafür nicht. Den dortigen Anteil am Konzernumsatz beziffert Thyssenkrupp auf "deutlich unter 1 %". Dennoch sind die Kriegsfolgen schon nach drei Wochen zu spüren, allen voran die steigenden Rohstoffkosten, die mit dem Aufbau im Working Capital einhergehen. Das nagt am Liquiditätspolster.

Folgerichtig kassiert Thyssenkrupp die Prognose hinsichtlich des freien Cashflow vor M&A. Eigentlich wollten die Essener dem jahrelangen Geldverbrennen in diesem Geschäftsjahr endlich ein Ende setzen. Daraus wird nun mutmaßlich wieder nichts. Was das letztendlich für das Dividendenversprechen bedeutet, bleibt - wie so vieles in diesen Tagen - offen.

Damit sind die schlechten Nachrichten jedoch noch nicht erschöpft. Denn auch der für die Stahlsparte geplante Spin-off wird auf Eis gelegt. Eine Aussage zur Machbarkeit lasse sich im gegenwärtigen Umfeld nicht treffen. Das liegt vermutlich auch daran, dass die für die Verselbständigung der Stahlsparte erforderlichen Förderzusagen aus der Politik auf sich warten lassen. In Brüssel und Berlin werden derzeit aus gutem Grund andere Themen wie die Versorgungssicherheit priorisiert. Ohne finanzielle Zusage aber kann sich Thyssenkrupp nicht auf den Weg der Transformation zu grünem Stahl begeben. Der aber wäre Voraussetzung für die Abspaltung.

Den geplanten Börsengang des Elektrolysegeschäfts Nucera thematisiert Thyssenkrupp erst gar nicht. Wegen des volatilen Marktumfelds ist ein IPO derzeit jedoch höchst unwahrscheinlich.

Es verwundert wenig, dass es in der neuen Krise ohnehin angeschlagene Firmen als Erstes erwischt. Dennoch sollte die verkappte Gewinnwarnung von Thyssenkrupp durchaus als Fanal für die deutsche Industrie verstanden werden.

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069-2732-0
www.boersen-zeitung.de

Original content of: Börsen-Zeitung, transmitted by news aktuell

More stories: Börsen-Zeitung
More stories: Börsen-Zeitung
  • 16.03.2022 – 20:09

    Alternativlos, Kommentar zum Fed-Zinsentscheid von Mark Schrörs

    Frankfurt (ots) - Die Zinswende in den USA ist da. Fed-Chef Jerome Powell und die Seinen haben ihren Worten Taten folgen lassen und erstmals seit Dezember 2018 ihren Leitzins erhöht. Fast auf den Tag genau zwei Jahre lang hatte er nun bei de facto null gelegen. Inmitten des Ukraine-Kriegs mag die Zinswende manchem zur Unzeit kommen; die Sorgen vor einem Abwürgen der ...

  • 15.03.2022 – 19:30

    Wackelige Prognose / Kommentar zur Lage und Strategie bei Volkswagen von Carsten Steevens

    Wolfsburg (ots) - In den vergangenen Jahren hat Volkswagen über Geschäftsjahreszahlen, Dividendenvorschlag und Ausblick in der Regel zwei Wochen vor der Bilanzvorlage informiert. In diesem Jahr hat Europas größter Fahrzeugbauer nur eine kleine Lücke zwischen den Terminen gelassen und mit der Veröffentlichung einer Prognose gezögert. Seit vorigem Freitag liegt ...

  • 14.03.2022 – 19:45

    Hoffnungswerte / Kommentar zum Bundeshaushalt in Kriegszeiten von Angela Wefers.

    Frankfurt/Main (ots) - Die Ampel-Regierung legt mit dem Entwurf für ihren ersten gemeinsamen Bundeshaushalt ein Rechenwerk mit Hoffnungswerten vor. Zudem enthält es nicht die ganze Wahrheit. Der Krieg in der Ukraine hat die Koalition aus SPD, Grünen und FDP in eine neue Lage gebracht. Die Corona-Pandemie mit allen ihren wirtschaftlichen Folgen tobt noch, da taucht ...