Déjà-vu 2012, Marktkommentar von Kai Johannsen
Frankfurt (ots)
Für die Finanzmärkte ist es eine heftige Woche mit deutlichen Marktreaktionen gewesen. Die Fed erhöht den Leitzins im Kampf gegen die Inflation in einem Ausmaß, wie es seit dem vorigen Jahrhundert nicht mehr gesehen wurde - weit weg also von den Trippelschritten, die man in den vergangenen 28 Jahre gewohnt war. Auch die SNB hob den Leitzins an, und die BoE tat es ihr gleich. Die EZB kam hingegen zu einer Sondersitzung zusammen, um den Ausverkauf an den Staatsanleihemärkten - und vermutlich nicht nur dort - zu beraten.
Klar, dass den europäischen Währungshütern diese Entwicklung Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Die zehnjährige Bundrendite hat sich in den vergangenen Wochen erst nicht nur der 1-Prozent-Marke genähert und sie auch übersprungen, sie ist nun in Richtung 2 Prozent unterwegs. Das allein mag ja noch nicht so schlimm sein, ist doch auch zu beobachten, dass sicherere Staatspapiere der Eurozone bei höheren Renditeniveaus auch wieder Käufer zu Investments ermuntern. Das bremst Renditeanstiege wieder ab. Aber auch in der Eurozonenperipherie klettern die Renditen der Staatsbonds der betreffenden Länder weiter: So etwa bei Italien - hier wurde die 4-Prozent-Marke zwischenzeitlich schon wieder überschritten. Aber auch bei Spanien, Portugal und Griechenland haben sich die Sätze im zehnjährigen Bereich seit Wochen von ihren Böden abgesetzt. Vorbei also die Zeiten für die schwächeren Länder, in denen sie die Gelder am Markt für nichts oder noch mit Parkgebühr hinterhergeschmissen bekamen. Schuldenmachen zum Null- oder Negativtarif ad acta.
Verständlich, dass die EZB jetzt auf den Plan tritt. Es gibt wieder die Sorge, dass einzelne Länder genau diese neuen Marktbedingungen nicht mehr schultern können. Euroschuldenkrise 2.0 - sie könnte womöglich bald vor der Tür stehen. Die Notsitzung der EZB weckt die Erinnerung an Mario Draghis "Whatever it takes", um den Euro zu schützen. Manch einer in der EZB wird dieses Déjà-vu aus dem Juli 2012 sicher in diesen Tagen gehabt haben.
Ohne Frage kam durch die Ankündigung eine gewisse Beruhigung in den Markt, aber die Betonung muss auf "gewisse" liegen. Denn die Renditen stiegen wieder an, und zwar querbeet im gesamten Euroraum. Die Spreads weiteten sich gegenüber Bundesanleihen aus, aber nicht katastrophal, da ja auch die Renditen der Bundesanleihen stiegen. Die EZB will nun also in den Markt eingreifen, Akteure beruhigen. Die Gelder aus auslaufenden Anleihen sollen reinvestiert werden. Das sollte die Renditeanstiege bei solchen Papieren bremsen, bei denen sie schon sehr weit fortgeschritten sind. Leicht abzuschätzen, wer das wohl in der Eurozone sein könnte. Und ein Antifragmentierungsinstrument soll es für den Bondmarkt geben. Details über die Ausgestaltung dieses neuen Instruments behielt die Mannschaft um EZB-Präsidentin Christine Lagarde aber am Mittwoch noch für sich. Das dürfte dann in den kommenden Tagen so weit sein.
Aber auch bei diesem neuen Instrument dürften die Euro-Währungshüter - wie der Name des Instruments schon sagt - darauf abzielen, dass die Renditen der schwächeren Länder nicht zu weit auseinanderlaufen, also die Spreads zu Bunds nicht gefährliche Ausmaße annehmen. Wo werden die EZB-Verantwortlichen dann wohl eingreifen? Vermutlich am Sekundärmarkt und auch am Primärmarkt, um über ein breites Kaufspektrum die größtmögliche Wirkung zu erzielen. Und die angestrebte Wirkung wird sein: Die Renditen nach unten drücken - egal wie. Denn es geht einerseits darum, dem Staatsschuldner selbst erträgliche Konditionen für die Kreditaufnahme zu ermöglichen angesichts ihrer hohen Schuldenlast. Aber im zweiten Schritt geht es auch um alle anderen Schuldner, die ihre Konditionen an den risikolosen und deutlich gestiegenen Sätzen ausrichten: Unternehmen, Banken etc. Der Primärmarkt ist in den vergangenen Tagen völlig lethargisch gewesen - Emittenten wagen sich nur vereinzelt aus der Deckung.
Und nun wird es in den kommenden Tagen wieder sehr interessant, wie sich das Emissionsgeschehen der Staaten der Eurozone, insbesondere der Eurozonenperipherieländer, entwickeln wird, also in den regulären Staatsanleiheauktionen. Das wird womöglich viele Signale bieten. Steigen die Renditen noch weiter an? Den halben Weg bis zur Grenze, an der sie seinerzeit die Hand hoben und signalisierten, dass die Konditionen nicht mehr tragbar sind, hat der eine oder andere ja schon zurückgelegt. Denn bei 7 Prozent im zehnjährigen Laufzeitenbereich musste in der Staatsschuldenkrise die EFSF - heute ESM - eingreifen. Hoffentlich kommt es nicht so weit.
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