Die Woche der Notenbanken
Kommentar zur Lage an den Finanzmärkten von Kai Johannsen.
Frankfurt/M. (ots)
Für die Akteure an den internationalen Finanzmärkten wird die neue Handelswoche die Woche der Notenbankentscheidungen. Denn in gleich drei renommierten und an den Kapitalmärkten viel beachteten Zentralbanken kommen die Entscheider in den nächsten Tagen zu ihren letzten turnusmäßigen geldpolitischen Beratungen in diesem Jahr zusammen: in der US-Notenbank Fed, der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Bank of England (BoE). Es wird an den Märkten allgemein erwartet, dass die Währungshüter den Fuß vom Gaspedal in Sachen Zinserhöhungstempo nehmen und den Märkten damit zudem signalisieren, dass man auch im neuen Jahr davon ausgehen kann, dass eher ein Gang weiter herunter- als heraufgeschaltet wird, da sich die Inflation wohl weiter in die gewünschte Richtung entwickeln wird und infolgedessen eine gemächlichere Gangart in der Geldpolitik angemessen erscheint - und auch in konjunktureller Hinsicht dürfte dies angebracht sein.
Den Anfang macht die Fed. Am Mittwochabend um 20 Uhr MEZ wird wohl über die Ticker laufen, dass der US-Leitzins (Fed Funds Rate) dann bei 4,50 % liegen wird und damit 50 Basispunkte höher als zuvor. So heißt es in dem Wochenausblick der Commerzbank hierzu, dass die US-Notenbank Fed beschließen dürfte, ihre Zinsen nicht noch einmal um 75, sondern nur noch um 50 Basispunkte zu erhöhen. Fed-Chef Powell habe in einer Rede jüngst klargemacht, dass die Zeit von großen Zinsschritten um 75 Basispunkte vorbei sei. Bereits auf der Dezember-Sitzung könne sich die Fed mit einem kleineren Schritt zufriedengeben.
Einen Tag später legen dann die EZB und die britischen Währungshüter nach. Um 13 Uhr dürfte der britische Leitzins dann bei 3,50 % liegen nach bisherigen 3 %. Und Christine Lagarde und ihre Kollegen dürften sich rund eine Stunde später auch nur noch für einen Zinsschritt von 50 Basispunkten auf dann 2 % entscheiden. Im hohen Norden, in Norwegen, wird man in Sachen Drosselung des Zinserhöhungstempos dann schon einen Schritt weiter sein: Mehrheitlich gehen die Marktteilnehmer davon aus, dass die Norges Bank den Leitzins bei unverändert 2,50 % lassen wird.
Die Energiekrise, anhaltende (Nach-)Wirkungen der Covid-19-Pandemie, aber eben auch die Leitzinssteigerungen rund um den Globus haben ihre Spuren in der Konjunkturentwicklung hinterlassen und das Wachstumstempo erheblich in Mitleidenschaft gezogen; und ein Ende dieser Beeinträchtigungen ist für die nächsten Monate bzw. das Jahr 2023 nicht absehbar. Viele Volkswirte stellen sich auf Rezession ein: Dort, wo es sie bereits gibt, sollte sie sich fortsetzen. Wo sie noch nicht Realität ist, sollte das nun der Fall werden.
An den Anleihemärkten stehen die Signale schon seit geraumer Zeit darauf, dass verschiedene Volkswirtschaften auf dem absteigenden Ast sind bzw. auf diesen kommen. In den USA ist die Zinsstrukturkurve bereits in den ersten Monaten dieses Jahres invertiert. Eine inverse Zinsstruktur liegt dann vor, wenn die langfristigen Renditen von Staatsanleihen tiefer sind als die Sätze der kurzfristigen Pendants, so etwa wenn zehnjährige Staatsanleiherenditen unter den zweijährigen Bondrenditen des Staates liegen. Damit stellt der Markt sich darauf ein, dass die Notenbanken auf längere Sicht die Leitzinsen senken müssen, um der strauchelnden Wirtschaft auf die Beine zu helfen. Das spiegelt der Markt mit den niedrigeren längerfristigen Bondrenditen im Vergleich zu den höheren kurzfristigen Renditen wider. Das war in der Vergangenheit ein sicherer Signalgeber, ging doch etwa in den USA praktisch jeder Rezession eine inverse Zinsstruktur voraus. Auch in Großbritannien ist die Inversion der Kurve schon eingetreten. Und in der Eurozone ist das ebenfalls zu beobachten, und zwar recht deutlich. So liegen die zehnjährigen Bundrenditen bei um die 1,88% und damit deutlicher unter der Marke von 2%, während die zweijährigen Bundrenditen mit um die 2,15% noch über der Marke von 2% liegen. Die Rendite der 30-jährigen Bundesanleihe liegt bei 1,61%.
Die Zinskurve des Bundes ist damit komplett invertiert. Das Signal lautet: Rezession voraus. Fragt sich nur noch, wie heftig der wirtschaftliche Rückschlag wird und wie stark die Währungshüter damit den Fuß vom Gaspedal nehmen müssen. Manch einer geht davon aus, dass 2023 die ersten Zinssenkungen auf dem Programm stehen - in der zweiten Jahreshälfte dürfte das unter dem Eindruck der Rezession anstehen.
(Börsen-Zeitung, 10.12.2022)
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