Rückschlag für den Finanzplatz, ein Marktkommentar zum Delisting von Linde in Frankfurt von Werner Rüppel
Frankfurt (ots)
Jetzt ist es amtlich. Die Aktionäre von Linde haben in dieser Woche mit großer Mehrheit dafür gestimmt, dass der amerikanisch-deutsche Industriegasekonzern künftig nur noch in New York und nicht mehr in Frankfurt notiert sein wird. Die Deutsche Börse hat sogleich reagiert und mitgeteilt, dass Linde aufgrund des Delistings in Frankfurt bereits zum 27. Februar aus dem Dax genommen wird. Informationen zur Nachfolger von Linde im Dax wird die Börse übrigens am 17. Februar um 22 Uhr veröffentlichen. Als Favoriten nennen Indexanalysten hier Rheinmetall und die Commerzbank.
"Für den Börsen- und Wirtschaftsstandort Deutschland ist diese Entscheidung eine Katastrophe", sagt Peter Spengler, Analyst bei der DZ Bank. Denn Linde war für den Dax und damit auch für den Finanzplatz Deutschland ein echtes Aushängeschild und zugleich ein Reichmacher für Dax-Anleger. Schließlich ist durch die 2018 vollzogene Fusion mit der US-Gesellschaft Praxair mit Linde ein Weltmarktführer für Industriegase entstanden. Und Industriegase sind ein relativ stabiles und vor allem wachstumsstarkes Geschäft. So hat Linde in den vergangenen Jahren geliefert und Gewinne und Dividenden gesteigert.
Als Dax-Schwergewicht mit einem Anteil von 10 Prozent am Leitindex, der lediglich aufgrund der Kappungsgrenze in dieser Höhe im Dax nicht höher ausfiel, hat Linde in den vergangenen Jahren wesentlich zur Performance des Dax beigetragen. Für Aktionäre war Linde ein echter Gewinn. So hat der Kurs von Linde (ohne Dividenden) seit Anfang 2019 bis heute um satte 117 Prozent zugelegt, während der Performanceindex Dax nur auf ein Plus von 40 Prozent kam. Und das zu einem Gutteil auch nur dank Linde.
Doch das ist die Rückschau. Der Blick nach vorne fällt für Investoren komplexer und weniger eindeutig aus. Natürlich ist das Delisting von Linde für den Finanzplatz Deutschland ein großer Verlust. Doch muss ein Dax ohne Linde sich in den kommenden Jahren nicht schwächer entwickeln als ein Dax mit Linde.
Dabei gilt es zum einen zu berücksichtigen, dass die Linde-Aktie nach den Kursavancen der vergangenen Jahre kein Schnäppchen mehr ist. Nach Angaben der Analysten der LBBW wird Linde auf Basis der für 2022 erwarteten Gewinne aktuell mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 26,8 und einer Dividendenrendite von 1,45 Prozent bewertet. Da ist der Dax mit einem KGV von 12,1 und einer Dividendenrendite von 3,33 Prozent wesentlich preiswerter. Der Dax wird also ohne Linde günstiger. Dafür geht aber ein Wachstumswert mit einer relativ geringen Zyklizität verloren.
Wie sich der Dax entwickeln wird, hängt nun vor allem von der Kursentwicklung und den Dividenden der im Dax verbleibenden Schwergewichte ab. Die Werte mit einem geringen Anteil am Dax spielen für dessen Entwicklung eine kleinere Rolle, das ist einfache Mathematik. Laut den Angaben der Börse von Anfang Januar folgen als Top-Werte im Dax auf Linde nun SAP mit einem Anteil von 8,8 Prozent, Siemens mit 8,4 Prozent, Allianz mit 6,9 Prozent), Deutsche Telekom mit 5,6 Prozent und Airbus mit 5,6 Prozent.
Ein Dax mit Linde wäre natürlich schöner. Doch gibt es auch ohne Linde im Dax zahlreiche international erfolgreiche Top-Unternehmen. Nach Einschätzung der meisten Unternehmensanalysten dürften deren Gewinne in den kommenden Jahren klettern, obwohl die Prognose in den aktuellen Zeiten mit Krieg in der Ukraine und hoher Inflation natürlich schwierig ist. Auch die Dividenden, die ja in den Performanceindex Dax mit einfließen, dürften steigen und fallen nun insgesamt höher aus als mit Linde.
Insgesamt muss Investoren, die zum Beispiel über einen ETF in den Dax investieren, daher nicht bange sein. Der Dax wird noch günstiger und könnte sich sogar ohne Linde noch besser entwickeln als mit. Vor allem ist der Dax, langfristig betrachtet, aktuell eher günstig denn hoch bewertet.
Und was ist mit der Linde-Aktie? Sie notiert künftig nur noch in New York und bleibt im führenden US-Aktienindex S&P vertreten. Das Delisting im Dax wird zwar zu Abgaben führen, immerhin sind rund 15 Mrd. Euro in Dax-ETFs angelegt. Doch ist natürlich der S&P 500 der wesentlich größere Index. Die meisten Analysten raten weiterhin zum Kauf von Linde. Nur Markus Mayer von der Baader Bank rät, Linde zu reduzieren. Dafür macht er aber nicht den möglichen Abgabedruck durch den Dax-Ausstieg verantwortlich. Gegenüber Linde bevorzugt er den Konkurrenten Air Liquide.
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