Börsen-Zeitung: Etat mit Kunstgriffen Leitartikel von Angela Wefers
Frankfurt (ots)
Schon der Haushalt 2003 war auf Kante genäht, im laufenden Budget fehlen rund 10 Mrd. Euro, und 2005 wird wieder kein leichtes Jahr für Bundesfinanzminister Hans Eichel. Der jüngste Etatentwurf zeugt von erstaunlichen Kunstgriffen, die es dem Bundeskabinett gerade einmal erlauben, heute einen verfassungskonformen Entwurf zu verabschieden. Die Perspektive einer längerfristig angelegten Konsolidierung lässt das Budget vermissen. Eher unwahrscheinlich ist, dass Deutschland 2005 tatsächlich wieder das Defizitkriterium des EU-Stabilitätspakts erfüllen kann, auch wenn die Regierung Gegenteiliges ankündigt.
Schlimmeres hat Eichel im Etat 2005 verhindert. Eine SPD-Basis, die nach mehr sozialem Profil ruft, hätte im Haushaltsentwurf nur allzu gern zusätzliche Ausgabenprogramme zur Ankurbelung der Konjunktur gesehen. Zumindest diese Disziplin bringt die Regierung auf, solchen Begehren nicht nachzugeben. Umgekehrt ist es aber Eichel auch nicht gelungen, durchzugreifen und die dringend nötige Verbesserung der Ausgabenstruktur des Haushalts auf den Weg zu bringen. Eine Neuverschuldung von 22 Mrd. Euro und Privatisierungerlöse auf bisher nie da gewesenem Niveau von 15 Mrd. Euro können keine dauerhaften Einnahmequellen sein. Zudem wird das Vermögen des Bundes zumindest gemessen am heutigen Börsenniveau als Einnahmequelle weitgehend versiegt sein, wenn die Verkäufe des Budgets 2005 realisiert sind. Vom Vorsatz Eichels, einmalige Einnahmen aus Privatisierungen nur zum Schuldenabbau einzusetzen, ist nichts übrig geblieben.
Die Regierung hofft auf Wirtschaftswachstum. Allein die Konjunktur kann die strukturellen Probleme des Haushalts aber nicht lösen. Die Ankündigung, im Herbst ein Sparpaket nachzuschieben, wenn die Binnennachfrage wieder anzieht, um aus dem Etat 2005 doch noch einen Sparhaushalt zu machen, steht auf äußerst wackeligen Füßen. Der gute Vorsatz des Finanzministers mag gegeben sein. Die Realität sieht aber anders aus. Weitere Wahlen im Herbst, darunter die Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen, die als Test für die im Frühjahr darauf folgende Landtagswahl gilt, werden kaum den Boden in der SPD für Kürzungen bei den Ausgaben bereiten. Zudem sind im Etat noch reichlich Risikoposten eingebaut, wie die Abschaffung der Eigenheimzulage, die der Zustimmung der Opposition bedarf, oder ein deutlich niedrigerer Ansatz für die Bundesagentur für Arbeit als in diesem Jahr, obwohl sich keine klare Entlastungen am Arbeitsmarkt abzeichnen. Die Privatisierungserlöse dürften sich über die KfW- Bankengruppe realisieren lassen, nachdem der Bund das Eigenkapital des Förderinstituts mit einem Kunstgriff durch Übertragung des ERP- Vermögens deutlich gestärkt hat.
Der Blick in die mittelfristige Finanzplanung des Bundes zeigt zudem, dass der Haushalt nicht auf Konsolidierung angelegt ist. Anders als die Länder, die bis 2008 mit einer Halbierung ihrer jährlichen Neuverschuldung rechnen, bleibt der Bund auf dem hohem Niveau mit nur leicht sinkender Tendenz. Wie Eichel das Ziel erreichen will, 2005 wieder das Defizitkriterium des EU- Stabilitätspakts von 3% zu erfüllen, bleibt sein Geheimnis. Die Privatisierungserlöse zählen beim Maastricht-Defizit nicht mit. Der Bund allein trägt ohne diesen Posten aber schon deutlich mehr zum Defizit bei, als er mit den Ländern verabredet hat.
Zu weiteren Kunstgriffen lädt der EU-Stabilitätspakt ein. Programmiert ist der Konflikt zwischen dem Ziel, einerseits das Defizitkriterium zu erfüllen und andererseits gesunde wirtschaftliche Rahmenbedingungen in Deutschland zu schaffen. Wenn die Strukturreformen der Regierung greifen und sie die Sozialsysteme entlasten, wird die Versuchung groß sein, Überschüsse nicht in Beitragssenkungen umzusetzen. Niedrigere Beiträge bedeuten zwar geringere Lohnnebenkosten. Hohe Beiträge aber führen zu einem Plus in den Sozialsystemen, das günstig auf das Maastricht-Defizit des Bundes wirkt. Zum Jonglieren zulasten von Bürgern und Wirtschaft ist der Stabilitätspakt nicht gemacht.
Schuldzuweisungen, wer haushaltswirksame Maßnahmen in der Vergangenheit verhindert hat, die nun belasten, können sich Regierung und Opposition sparen. Nicht alles, das Rot-Grün durchsetzen wollte und die Union blockiert hat, gehörte in die Abteilung Subventionsabbau. Manches hat die Union verhindert, ja. Gemeinsam sind aber auch reine Steuererhöhungen beschlossen worden wie bei der Gesellschafterfremdfinanzierung, der Mindestgewinnbesteuerung oder dem Moratorium für die Nutzung der Körperschaftsteuerguthaben.
Allein mehr Einnahmen bringen den Bundeshaushalt nicht ins Lot und schon gar nicht auf längere Sicht zum Ausgleich. Die Staatsquote ist unverändert hoch. Die Investitionen des Bundes werden 2005 erneut zurückgehen. Die umgekehrte Entwicklung würde in die richtige Richtung weisen. Die Debatten in der SPD über eine noch erhöhte Mindestgewinnbesteuerung lenken nur von den eigentlichen Problemen wachsender Ausgaben in den Sozialsystemen ab. Auch eine wieder anspringende Konjunktur kann es allein nicht richten. Rund ein Siebentel des Bundeshaushalts ist nicht durch stetige Einnahme gedeckt. Pläne für neue Umverteilungssysteme wie die so genannte Bürgerversicherung in der Gesundheitsversorgung geben keine neuen Impulse, die Ausgaben des Bundes dauerhaft auf eine gesunde Basis zu stellen. Da allein liegt die gemeinsame Aufgabe für Regierung und Opposition. (Börsen-Zeitung, 23.6.2004)
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