Börsen-Zeitung: Robuster Tankan, Kommentar zur Wirtschaftsstimmung in Japan von Helmut Becker
Frankfurt (ots)
Nachdem der japanische Geschäftsklimaindex Tankan gestern das beste Ergebnis seit 1991 gezeigt hat, herrscht in Tokio Rätselraten vor. Die Frage ist, ob dies bereits der Wendepunkt des zyklischen Aufschwungs sein könnte oder nur eine Etappe beim weiter robusten Konjunkturwachstum. Die von der Bank von Japan befragten Firmen vor allem der verarbeitenden Industrie haben für den nächsten Tankan in drei Monaten etwas weniger zuversichtliche Indizes prognostiziert, aber keine Wende.
Gewiss, die Yen-Zinswende rückt näher, obwohl die Bank von Japan am Geldmarkt in diesem Jahr kein neues Regime einführen wird und auch 2005 hinter der Inflationskurve zurückbleiben wird. Der Bondmarkt, wo gestern die Rendite der zehnjährigen Referenzanleihe mit 8,5 Basispunkten auf 1,860% den größten Tagessprung seit sieben Monaten verzeichnete, beunruhigen allerdings in erster Linie die überschuldeten öffentlichen Hände. Aber auch das noch nicht über Gebühr. Denn konjunkturell sprudeln die Steuereinnahmen über Erwarten und ermöglichen dem Zentralstaat bereits, die Nettoneuverschuldung um 1 Bill. Yen (7,7 Mrd. Euro) unter Emissionsplan zu senken.
Die jetzt bemerkbare sehr leichte Nervosität lässt sich mit den Yen- Zinsen ebenso wenig erklären wie mit der Liquiditätsversorgung mittlerer und kleiner Unternehmensgrößen, die von der Bereitschaft der Banken zu expansivem Neugeschäft bereits zu profitieren beginnen. Der tendenziell leicht festere Yen gegenüber dem Dollar, kaum aber gegenüber dem Euro, hat letztlich seinen Schrecken verloren. Denn mit ihren Restrukturierungserfolgen steht die japanische Industrie heute so schlank und vor allem kaum von Fremdkapital belastet da wie noch nie in der Nachkriegsgeschichte. Auch eine mögliche Konjunkturabschwächung in China sollte den japanischen Nachbarn nicht in Panik versetzen, da die meisten japanischen Exporte nicht substituierbar, folglich krisenunanfällig sind.
Das rasante Wirtschaftswachstum des ersten Kalenderquartals von 6,1% auf Jahresbasis wurde bereits zu rund zwei Dritteln von der privaten Binnennachfrage getragen. Und der gesamte, allerdings in Japan immer von Volatilität gekennzeichnete Makrodatenkranz deutet auf weitere Expansion hin. Dies wird auch durch die Ansage massiver Investitionspläne der verarbeitenden Industrie im Tankan mit einem seit 1989 nicht mehr registrierten Wachstum von gut 20% untermauert. Die Arbeitslosigkeit ist deutlich gesunken, die Zahl der offenen Stellen hat inzwischen einen Stand wie zuletzt am Ende der spekulativen Boomjahre in den Achtzigern erreicht, und die Einkommen steigen. Der Aufschwung ist kaum am Wendepunkt.
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