Börsen-Zeitung: Nokia lässts wieder krachen, Kommentar von Gottfried Mehner zum Quartalsbericht des Handyweltmarktführers
Frankfurt (ots)
Es schält sich langsam als gute Empfehlung heraus, an Berichtstagen von Nokia rechtzeitig in Deckung zu gehen und dann tunlichst auch dort zu bleiben. Die Märkte waren gestern zunächst von positiven Zahlen von SonyEricsson durchaus hoffnungsfroh gestimmt. Zudem war die am Markt kolportierte neuerliche Gewinnwarnung der Finnen ja auch ausgeblieben. SonyEricsson hatte die Schätzungen für das Gesamtjahr für die Branche von 550 Mill. auf 600 Mill. Geräte hochgesetzt. Das klang fast nach alter Technologie-Dynamik. Aber dann kam Punkt 12 Uhr der finnische Großmeister mit dem negativen Dreiklang: Margen unter Druck, Marktanteil unter Druck, Aussichten unter Druck.
Die Nokia-Notiz ging umgehend in den Sturzflug über. In Helsinki verließ sie schließlich mit einem Minus von 12,6% den Markt, nachdem sie vorübergehend auf den tiefsten Stand seit fast sechs Jahren gesunken war. In Stockholm freuten sich die Börsianer schon, dass sich die Marktbewertungen von Ericsson und Nokia zusehends anglichen. Bis vor kurzem galt Nokia mit Blick auf das Verfolgerfeld ja noch als völlig jenseitig entrückt.
Im Vergleich zum Vorquartal rutscht Nokias Marktanteil weiter auf 31 (32)% ab. Die Politik, sich über reduzierte Preise stärker in den Markt zurückzuboxen, hat noch nicht angeschlagen, wenngleich Nokia- Chef Jorma Ollila schon über die ersten Erfolge jubelte.
Im dritten Quartal muss Nokia jedenfalls die selektive Preisreduzierungen zulasten des Ertrags fortsetzen. Entsprechend werden für das dritte Quartal nur noch 0,08 bis 0,10 Euro je Aktie erwartet. Dies ist ein gewaltiger Abstand zur bisherigen Konsensschätzung der Analysten von 0,14 Euro. Im dritten Quartal des Vorjahres hatte Nokia noch 0,17 Euro in die Scheuern gefahren. Übersetzt bedeutet das nichts anderes, als dass die früher bei 27% liegenden Handymargen auf ein Drittel erodieren werden.
Weil erst im vierten Quartal damit aber wenigstens rechtzeitig zum wichtigen Weihnachtsgeschäft das Gros der neuen Modelle fertig ist, steht Nokia vor einem schwierigen Quartal. Schneller kann der Marktführer seine Defizite in der Angebotspalette nicht schließen. Das soll erst 2005 und 2006 besser werden, weil dann die Mehrheit der Produkte auf Module und gemeinsame Plattformen umgestellt sind. Insofern stellt die gestrige Kernaussage, dass man lieber Marktanteile gewinnen denn kaufen wolle, nur einen schwachen Trost dar. Eine der guten Nachrichten bezog sich auf das Systemgeschäft: Hier haben sich die Margen stark gefangen. Aber dies ist die Domäne von Ericsson, die am 21. Juli berichten wird.
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