Börsen-Zeitung: Kommentar von Angela Wefers zur Diskussion um die Mindestgewinnbesteuerung: Melken ohne Ende
Frankfurt (ots)
Wenn es richtig ist, dass die Wirtschaftsentwicklung zur Hälfte auf Psychologie beruht, ist es Rot-Grün gelungen, der Konjunktur allein mit dem Gerede über eine Verschärfung der gerade eingeführten Mindestgewinnbesteuerung einen Dämpfer zu versetzen. Seit Jahresbeginn dürfen Unternehmen nur noch 60% ihres Gewinns mit aufgelaufenen Verlusten verrechnen. 40% müssen sie unabhängig von einer vorherigen Verlustphase versteuern. SPD und Grüne streben nun eine 50/50-Regelung an, auf die sie zunächst ohnehin aus waren. Auf Intervention der Union war es aber nur zu der milderen Variante gekommen.
Ungewiss ist, ob die Regierungskoalition mit ihrer Absicht, die Steuereinnahmen zu erhöhen, überhaupt durchkommen wird. Die CDU/CSU- Fraktion im Bundestag hat ihren Widerstand bekräftigt. Die Länder sind auch wenn sie die Opposition vertreten immer Wackelkandidaten. Auch ihre Kassen werden durch Körperschaft- und Gewerbesteuer dotiert.
Die Debatte über eine mögliche Erhöhung der Mindestgewinnbesteuerung reicht aber schon aus, diejenigen Signale zu senden, die Unternehmen verunsichern und Investitionen bremsen. In der Gesundungsphase entzieht die Mindeststeuer die dafür notwendige Liquidität. SPD und Grüne zeigen mit dem Finger besonders auf die Unternehmen, die sich angeblich nicht mehr an der Finanzierung staatlicher Aufgaben beteiligen. Gesunkenes Steueraufkommen soll Zeuge dafür sein.
Tatsächlich hat sich das Aufkommen aber wieder stark erholt und wird den offiziellen Steuerschätzern zufolge in den nächsten Jahren noch deutlich anziehen. Die Ausfälle 2001 und 2002 waren Ausnahmen. Ursache dafür sind neben der mit der Unternehmenssteuerreform propagierten Entlastung der Wirtschaft durch die Senkung der Steuersätze der konjunkturelle Einbruch in diesen Jahren und Einmaleffekte aus anrechenbaren Körperschaftsteuerguthaben.
In den neunziger Jahren pendelte das Körperschaftsteueraufkommen um 15 Mrd. Euro. Nur 2000 erreichte es mit 23,5 Mrd. Euro eine ungewöhnliche Höhe. Aktuell rechnen die Steuerschätzer schon von 2005 an mit Einnahmen von 17 Mrd. bis 18 Mrd. Euro, in diesem Jahr mit 12,5 Mrd. Euro. Bei der Gewerbesteuer sieht die Entwicklung ähnlich aus. Entlastung? Keine Spur.
Die Wirtschaft BDI und DIHK protestiert zu Recht. Die Verschärfung einer ohnehin misslungenen Regelung wiegt schwer. Das Hauptproblem ist aber der Irrglaube der Politik, die Wirtschaft immer weiter melken zu können. Die Rechnung wird nicht aufgehen, wenn nach einer Verlustphase erst der Fiskus bedient werden muss und nur der müde Rest investiert werden kann.
(Börsen-Zeitung, 26.8.2004)
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