Börsen-Zeitung: Kommentar von Annette Becker zur Phama-Allianz von Bayer und Schering-Plough: Anpassungen an Mittelmaß
Frankfurt (ots)
Mit der Abgabe der Marketing- und Vertriebsaktivitäten für weite Teile des Pharma-Portfolios in den USA unternimmt Bayer einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum mittelgroßen europäischen Pharmaunternehmen. Während die Produktseite spätestens seit dem Auslaufen des Patentschutzes für das Antibiotikum Ciprobay auf Mittelmaß geschrumpft war, präsentierten sich die Leverkusener auf der Kostenseite bislang noch als Global Player. Eine ungute Konstellation, die im zweiten Quartal 2004 zur Halbierung des Pharma- Ergebnisses auf operativer Ebene geführt hatte.
Natürlich ist der Abbau von 1800 Stellen in Marketing und Vertrieb kein Gratisgeschäft. In Leverkusen wird mit Einmalkosten von bis zu 70 Mill. Euro gerechnet. Doch schon vom kommenden Jahr an soll sich die Maßnahme positiv im Resultat niederschlagen. Das Einsparpotenzial dürfte sich beim Abbau von 1800 Stellen im niedrigen dreistelligen Millionenbereich bewegen.
Gerade im hartumkämpften Markt für Medikamente, die Allgemeinärzte verschreiben, entscheidet die Größe und Effizienz der Sales Force über Erfolg oder Misserfolg der Produkte. Das bekam Bayer zuletzt beim Potenzmittel Levitra zu spüren. Dort blieben die Marktanteilsgewinne hinter den eigenen Erwartungen und vor allem hinter den Zuwächsen des Konkurrenten Eli Lilly zurück.
Verständlich ist, dass die Börse die Ankündigung von Bayer mit einem Kurssprung um fast 3% würdigte. Der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning, der im vergangenen Jahr den radikalen Konzernumbau angekündigt hatte, löst seit Monaten kontinuierlich Versprechen ein auch wenn sich die Erfolge erst in den kommenden Jahren in den Zahlen niederschlagen werden.
Natürlich ist die gestrige Ankündigung nur einer von vielen Schritten, um die Pharmasparte an die veränderten Portfoliogegebenheiten anzupassen. Und natürlich geht damit auch eine Verschiebung der Abhängigkeiten einher. Bayer konzentriert sich künftig stärker auf die Onkologie, das Therapiegebiet, in dem das nächste Medikament aus der Forschungspipeline auf den Markt kommen soll. Damit verbunden ist zweifelsohne ein höheres Risiko. Doch der Aufbau einer eigenen Geschäftseinheit für Krebsmedikamente zeigt eben auch das Vertrauen der Leverkusener in das Medikament, das derzeit in Phase III der klinischen Erprobung steckt.
Dass die Wahl beim Allianz-Partner auf Schering-Plough fiel, mag manchem ein Dorn im Auge sein, zählen die US-Amerikaner doch nicht gerade zur US-Elite der Pharmaindustrie. Dennoch könnten sich in diesem Fall aus zwei Fußkranken passable Mittelstreckenläufer entwickeln.
(Börsen-Zeitung, 14.9.2004)
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