Börsen-Zeitung: Kommentar von Helmut Becker zur Übernahme von MGM durch Sony: Gut gebrüllt, Sony!
Frankfurt (ots)
Als die Nachricht von der Übernahme der Hollywood-Ikone MGM durch ein von Sony geführtes Konsortium den Finanzplatz Tokio überraschte, war die erste Reaktion neben dem als üppig empfundenen Preis vor allem deshalb ungnädig, weil im Sony-Vorstand wieder einmal die Advokaten des Software-Lagers ihren Einfluss gezeigt hätten. Kurz nach der Fusion von Sony Music und BMG und fünfzehn Jahre nach dem damals spektakulären, aber keineswegs lukrativen Kauf von Columbia Pictures laboriere Sony noch immer an der Integration der Strategien von Hard- und Software, von Hochtechnologie und Inhalten. Und das Resultat sei am verlorenen Glanz der einstigen Vorzeigefirma und dem Restrukturierungsaufwand von 800 Mrd. Yen im dreijährigen Sanierungsprogramm abzulesen.
Doch die Abfuhr des Marktes ist nicht völlig gerechtfertigt. Denn der Unterhaltungselektronikriese hat mit der Aufstockung seiner zur Verfügung stehenden Filmbibliothek auf rund 7500 Titel oder 40% aller jemals in Hollywood produzierten Streifen durchaus auch technologische Standards im Visier. Sony will in der Optoelektronik seine auf Blaulasertechnik setzenden DVD-Geräte über die Vermarktung seines Filmangebots auf entsprechenden DVD-Scheiben zum Weltstandard avancieren und seinen Rivalen unter Führung von Toshiba und NEC den Rang ablaufen. Es geht Sony um nicht weniger als die Rolle des Maßstabs in der Digitalisierung der Unterhaltungselektronik. Deshalb kaufte sich das nicht gerade liquide Unternehmen als finanzieller Juniorpartner des Konsortiums, aber maßgeblicher Partner der Vermarktung in großem Stil in Hollywood ein. Auch wenn sich die Strategie nicht alsbald in einem Ertragscomeback bei Sony niederschlagen wird, mit den rund 4000 Spielfilmen und 10400 Fernsehepisoden, die von MGM übernommen werden, hat die Software Division eine kritische Größe erreicht, die globale Standards diktieren kann.
Mit dem Columbia Studio allein war diese Dominanz nicht zu sichern, so dass sich der Vorstand jahrelang vorhalten lassen musste, er habe durch den Einkauf in Hollywood den Fokus verloren, Sony als führenden Hersteller von Unterhaltungselektronik zu profilieren. Auch für die Rehabilitation der Erträge dürfte der Coup vorteilhaft werden. Durch MGM wird Sony zusätzlich zu Movielink von Viacom Partner der Kabelnetzfirma Comcast, die bereits 14,1 Millionen US- Haushalte mit Video-on-Demand per TV und Internet erreicht und nun wahrscheinlich auch finanziell in das MGM-Übernahmekonsortium einsteigt. Mit geringem Einsatz hat sich Sony ein Maximum an Potenzial gesichert.
(Börsen-Zeitung, 15.9.2004)
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