Börsen-Zeitung: Kommentar von Sabine Wadewitz zur morgigen Tagung des EU-Rechnungslegungsausschuss der Regierungsvertreter: Votum der Unvernunft
Frankfurt (ots)
Am morgigen Freitag ist der Tag der Tage für die Umsetzung der internationalen Bilanzierungsnormen in Europa. Der EU- Rechnungslegungsausschuss der Regierungsvertreter befindet endgültig über die Anerkennung (Endorsement) des umstrittenen Standards für Finanzinstrumente IAS39. Auf der Agenda steht zudem die Massentaufe der Neuregelungen des sog. Improvement-Projekts des IAS-Board, also die 15 überarbeiteten Standards. Abzustimmen haben die Regierungsvertreter außerdem über die neuen Normen zu Unternehmensfusionen und Aktienoptionen.
Für die Bilanzierung von Finanzinstrumenten zeichnet sich nach allem Hickhack ein Votum für eine abgespeckte Variante von IAS39 ab. Mehr ist politisch nicht durchsetzbar. Es bleibt das zweitbeste Modell hinter der Anerkennung des vollständigen Standards, bringt aber den Prozess der IAS-Einführung voran und die Zeit drängt.
Für die Praxis ist die reduzierte Fassung des IAS39 mit den geplanten Ausnahmen bei der Fair Value-Option und beim Hedge Accounting bei allem Zähneknirschen über den europäischen Alleingang ein erträglicher Ansatz. Nach dem Vorschlag aus Brüssel sollen die Konzerne nämlich die Möglichkeit haben, IAS39 im Prinzip voll anzuwenden. Die Banken können auf den zusätzlichen Spielraum beim Zins-Hedging verzichten. Problematischer ist das Streichen der Möglichkeit, Verbindlichkeiten zu Marktwerten anzusetzen. Da die Fair Value-Bilanzierung laut IAS39 nur eine Option ist, dürfte die EU-Variante auch IAS-konform sein. Für viele Unternehmen und Banken ist es gleichwohl sehr unbefriedigend, auf Fair Value-Ansätze verzichten zu müssen. In jedem Fall muss schnell Klarheit geschaffen werden, was das Carve-out für Abschluss und Testat bedeutet.
So tolerabel die Teil-Anerkennung für die Firmen sein mag, in der Außenwirkung ist die Entscheidung ein Votum größter Unvernunft. Der Sonderweg der EU behindert den Prozess der globalen Harmonisierung und schwächt die Position des IAS-Board immens. Verstärkt wird die Geringschätzung des Standard-Setzers durch das leidige Thema, dass die EU-Kommission ihre Mitgliedsstaaten zwar auf IAS verpflichtet, nach wie vor aber nicht geregelt hat, wie die Finanzierung des IAS- Board aus der EU heraus realisiert werden soll.
Auch wenn in vielen Fällen die Abweichungen zwischen internationalen und europäischen IAS bilanziell nicht stark ins Gewicht fallen sollten, den europäischen Konzernabschlüssen wird künftig in den Kapitalmärkten der Makel der Schmalspurvariante anhaften. Da wäre die volle Anerkennung von IAS 39 auch für viele opponierende Banken wohl das kleinere Übel.
(Börsen-Zeitung, 30.9.2004)
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