Börsen-Zeitung: Die Flucht der Spekulanten, Kommentar zum Ölpreis-Rückgang von Dieter Kuckelkorn
Frankfurt (ots)
Die jüngste Korrektur auf dem Ölmarkt ist schon beeindruckend. Seit Mittwoch sind die Notierungen in London und New York um etwa 13% abgestürzt. Eine derart ausgeprägte Preisbewegung in nur wenigen Tagen hatte es zuletzt nach dem ersten Irakkrieg im Jahre 1991 gegeben. Gegenüber den Rekordständen vom Oktober hat sich der Preis um fast 25% zurückgebildet.
Auslöser der Korrektur war die Mitteilung des amerikanischen Energieministeriums vom Mittwoch, dass die US-Lagerbestände an Benzin, Heizöl und anderen Destillaten im wöchentlichen Vergleich spürbar gestiegen seien. Zwar war die Nachricht nicht allzu spektakulär, sie hat aber wohl doch eine größere Anzahl noch im Ölmarkt engagierter Adressen veranlasst, die Spekulation auf steigende Ölpreise als vorerst gescheitert zu betrachten und die Zelte abzubrechen.
Zumindest kurzfristig sieht es nicht danach aus, dass die jüngsten Rekordstände in naher Zukunft wieder erreicht würden. Die Lage in der Ölindustrie hat sich inzwischen deutlich verändert. So sind die durch den Wirbelsturm Ivan am Golf von Mexiko ausgefallenen amerikanischen Förder- und Raffineriekapazitäten mittlerweile wieder fast vollständig online. Es waren diese Sturmschäden, die im Oktober zu den massiven Preissteigerungen geführt hatten. Zudem sind die Temperaturen an der amerikanischen Ostküste in der aktuellen Heizperiode bisher bei weitem nicht so niedrig wie erwartet. Diese Region erfährt wegen ihres strukturell viel zu hohen Energieverbrauchs sowie der chronisch niedrigen US-Vorräte stets die besondere Aufmerksamkeit der Marktteilnehmer. Außerdem produziert die Opec auf Hochtouren, der russische Yukos-Konzern ist nicht mit Ausfällen negativ aufgefallen, und auch der Irak bedient wider Erwarten den Markt.
Dies alles bedeutet freilich nicht, dass sich nun eine Rückkehr zu den Zeiten billigen Öls abzeichnet. Es gibt nach wie vor gravierende Gründe, die für ein Preisniveau sprechen, das deutlich über den Tiefständen der vergangenen Jahre liegen dürfte. So haben die Förderländer die Modernisierung ihrer Anlagen vernachlässigt, während die börsennotierten Ölkonzerne eingedenk früherer Phasen mit hohen Überangeboten derzeit wenig Interesse an einer allzu starken Ausweitung der Kapazitäten zeigen. Und last but not least nehmen die Kosten der Erschließung und des Betriebs neuer Felder ständig zu. Wie hoch ein hauptsächlich durch fundamentale Marktgegebenheiten bestimmter Ölpreis auszusehen hätte, ist auch nach dem Ausstieg der Spekulanten schwer zu sagen. Immerhin lassen die jüngsten Ereignisse vermuten, dass er unterhalb der Marke von 40 Dollar liegen würde.
ots-Originaltext: Börsen-Zeitung
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