Börsen-Zeitung: Kommentar von Ulli Gericke zum scheitern der Föderalismus-Reform: Verantwortungslos
Frankfurt (ots)
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte für die Notwendigkeit der Föderalismusreform, dann ist er mit dem Scheitern der Föderalismuskommission erbracht. Mit der Reform sollte das wild wuchernde und inzwischen undurchschaubare Geflecht von Bundes- und Länderzuständigkeiten entwirrt werden, damit der Bürger Verantwortlichkeiten wieder klar zuordnen kann eine wesentliche Voraussetzung für sein demokratisches Engagement. Doch Bund und Länder, Regierung und Opposition konnten sich wieder einmal nicht einigen.
Um diese lähmende Selbstblockade zu überwinden, wollte die Kommission als zweites Ziel eher administrative Änderungen erreichen. Mit der Trennung von Bundes- und Länderkompetenzen sollte der Staat modernisiert werden, damit er den globalen Herausforderungen besser gewappnet ist. Denn während sich die Welt immer schneller ändert, stranden hier zu Lande mehr und mehr Gesetze am Einspruch der Länder. Zudem werden einzelne Länder daran gehindert, eigene, bessere Wege bei der Modernisierung einzuschlagen. Einer weltweiten Beschleunigung steht also eine nationale Vollbremsung gegenüber. Das kann nicht gut gehen.
Um wenigsten die gröbsten Hindernisse wegzuräumen, wurde vor Jahresfrist die Föderalismuskommission installiert. Sie erarbeitete wichtige wenn auch nicht ausreichende Reformschritte. Immerhin wollten sich die Länder bei der Gesetzgebung zurücknehmen. Während heute noch gut 60 % der in Berlin verabschiedeten Gesetze der Zustimmung im Bundesrat benötigen, verpflichteten sich die Bundesländer, diesen Anteil auf unter 30 % zu reduzieren. Damit hätte die stotternde Gesetzgebungsmaschinerie deutlich an Fahrt aufnehmen können.
Ein Durchbruch wäre zudem die Aufnahme von Bestimmungen des EU- Stabilitätspaktes in das Grundgesetz gewesen. Damit wären künftig auch die Länder für Defizitverfehlungen haftbar zu machen. Sie hätten für gut ein Drittel der möglichen Sanktionszahlungen aufkommen müssen. Dabei sollten Länder mit einem zu hohen Haushaltsdefizit 65 % der Sanktionen tragen, während die übrigen das restliche Drittel nach der Einwohnerzahl zu stemmen hätten. Das hätte die Länderregierungen diszipliniert.
Vorbei. Die Kommission ist gescheitert. Nun werden gegenseitige Schuldzuweisungen verteilt obwohl das keinen interessiert. Wann ein Neuanfang gewagt wird ist offen. Die Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl wird jedoch knapp. Dabei waren die schwierigsten Themen, wie etwa der Länderfinanzausgleich, ohnehin ausgeklammert gewesen. Doch nicht einmal die kleinen Probleme haben die politischen Leichtgewichte gestemmt. Ein Desaster.
Börsen-Zeitung, 18.12.2004
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