Börsen-Zeitung: Doktor Breuers Therapien, Kommentar von Bernd Wittkowski zur Amtszeit von Rolf-Ernst Breuer als Bankenpräsident
Frankfurt (ots)
Kurz vor Ende der Amtszeit von Rolf-Ernst Breuer als Bankenpräsident befindet sich der private Teil der deutschen Kreditwirtschaft im Zustand des Übergangs vom Siechtum zur Rekonvaleszenz. Schon im vorigen November hatte Doktor Breuer das Bulletin herausgegeben, der Patient Bankgewerbe habe die Intensivstation verlassen. Mittlerweile mag er sich in der Reha-Klinik befinden. Es geht aufwärts: Die verordnete bittere Medizin gegen wuchernde Kosten- und Risikostrukturen zeigt Wirkung, der Bilanzkörper ist deutlich schlanker geworden und kommt wieder zu Kräften.
Für Entwarnung wäre es gleichwohl zu früh. Denn die Abmagerungskur hat auch dazu geführt, dass kein Speck in Form stiller Reserven mehr auf den Rippen ist. Das Rentabilitätsniveau reicht im Branchendurchschnitt bisher vielleicht gerade mal zum Überleben, nachhaltig gesund ist es mitnichten. Zumal der Patient nur begrenzt lernwillig ist und teilweise längst wieder einem pathologischen Lebenswandel anheim fällt: Der gute Vorsatz, auf risikoadäquate Kreditmargen zu achten, sei schon in Vergessenheit geraten, räumt Breuer ein. Das schmälert die Heilungschancen beträchtlich.
Indes ist nicht jede Therapie in allen Fällen gleichermaßen erfolgversprechend. Das müssen auch die privaten Banken erkennen, die allzu lange in der geforderten Privatisierung der Sparkassen ein Allheilmittel gegen die aus ihrer Sicht unzureichende Konsolidierung sahen. Damit wurden Kräfte vergeudet und Chancen verspielt. Heute weiß der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), dass es auch in den nächsten fünf Jahren nichts bringen würde, auf dieses Placebo zu setzen. Einen Monat vor dem Wechsel in der BdB- Präsidentschaft zu Klaus-Peter Müller (Commerzbank) empfiehlt ein selbstkritischer und versöhnlich gestimmter Breuer, der das wenig freundschaftliche Verhältnis zum öffentlich-rechtlichen Lager auf seinem Sündenkonto verbucht, die Aufmerksamkeit auf andere Arzneien zu konzentrieren. Das könnte in der Tat aussichtsreicher sein. Der Standort Deutschland ist derart malade, dass es sich für die Kreditwirtschaft lohnen sollte, mit vereinten Kräften zur Behandlung zu schreiten und die Politik für eine forcierte Bewegungstherapie zu gewinnen. Das würde dann auch die Genesung des Patienten Bankgewerbe entscheidend voranbringen.
(Börsen-Zeitung, 9.2.2005)
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