Börsen-Zeitung: Kommentar von Norbert Hellmann zum jüngsten Global Financial Stability Report des IWF: Ruhe vor dem Stürmchen
Frankfurt (ots)
Zentralbanken und supranationalen Institutionen, wie der Internationale Währungsfonds (IWF), können sich über gnädige Kapitalmärkte nie richtig freuen. Aus ihrem Blickwinkel sind Ruhephasen stets Nährboden für künftige Exzesse und Vorboten kommender Krisen. So gibt auch der neue Global Financial Stability Report des IWF keine Entwarnung. Obwohl das globale Finanzsystem derzeit äußerst stark wirkt, sind die Gefahrenquellen sichtbarer. Mit dieser Einschätzung will der Direktor der IWF-Kapitalmarktabteilung, Gerd Häusler, weder besonders optimistisch, noch alarmistisch klingen, aber darauf hinweisen, dass es dem Finanzsystem fast zu gut geht. Solides globales Wachstums, Inflation trotz Rohstoffpreisanstieg unter Kontrolle und Finanzinstitute deren Profite und Bilanzstrukturen immer gesünder wirken.
Besser geht's nicht! Also drängt sich die ernüchternde Folgerung auf, dass es mit der systemischen Stabilität nur abwärts gehen kann. Häusler hat sich für diese Erkenntnis einen guten Zeitpunkt ausgesucht. Seit wenigen Wochen spürt man an den Bondmärkten förmlich, dass die Party vorbei ist. Egal ob es diffuse Inflationsängste, die Sorge um eine harte Linie der US-Zentralbank oder Bonitätsprobleme bei General Motors sind , die Anleger wirken nervös. Überreichlich Liquidität und niedrigere Risikoprämien beschwören die Gefahr von Korrekturen herauf. Wenigstens aber wirken die Finanzmarktakteure widerstandsfähiger. Häusler vergleicht das internationale Finanzsystem mit dem Baum, der sich kräftige Wurzeln für den Sturm zugelegt hat. Und er weiß auch aus welcher Richtung es bläst.
Da sind Anleger, die auf verzweifelter Renditesuche im Niedrigzinsumfeld schlecht prämierte Risiken in Kauf nehmen und von Banken großzügig finanziert werden. Man lockert Kreditstandards, um im lukrativen Prime Brokerage mit Hedgefondskunden nichts zu verpassen.
Trotz Liquiditätsschweme gibt es enge Märkte bei Kreditderivaten. Im Handel mit Collateralized Debt Obligations oder Credit Default Swaps, droht Liquidität im Ernstfall blitzschnell zu schwinden, weil die Institute so ähnliche Riskomodelle fahren, dass sie stets im Kollektiv aussteigen wollen. Schäden sind damit so gut wie vorprogrammiert. Nur darf man sich berechtigte Hoffnung machen, dass es diesmal keine systemischen sein werden.
(Börsen-Zeitung, 6.4.2005)
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