Börsen-Zeitung: Ackermanns klare Antworten, Kommentar von Bernd Wittkowski zur Hauptversammlung der Deutschen Bank
Frankfurt (ots)
Scheißdemokratie, rief ein älterer Herr in die am Nachmittag nur noch schwach besetzte Frankfurter Festhalle. Gemeint war die Aktionärsdemokratie. Da hatte wieder mal ein Redner den Kirch nicht im Dorf lassen können und die hörbar genervte Mehrheit im Saal mit der Verlesung eines rekordverdächtig langen Fragenkatalogs malträtiert. Wer Argumente für den Nutzen der vermeintlichen Heuschreckenplage Private Equity sucht, muss sich nur gelegentlich die Hauptversammlung einer deutschen Publikumsgesellschaft antun. Dort könnte man der Demokratie in der Tat überdrüssig werden und den Reiz des Going Private entdecken. Angesichts der exzessiven Art, auf die einzelne Miteigentümer diesen Bereich der Volksherrschaft interpretieren, mag mancher Bankvorstand und -aufsichtsrat wehmütig an Zeiten zurückdenken, als er sich nur mit Atomkraft-nein-danke- Aktionären auseinander setzen durfte.
Aber so wenig sich eine Regierung ein neues Volk wählen kann, wenn das alte nicht mehr konveniert, so wenig kann sich die Führung einer Publikums-AG ihre Aktionäre aussuchen. Sie muss auch mit denen leben, die unter legaler Ausnutzung der Spielräume ihren enormen Lästigkeitswert demonstrieren. Und dieses Recht steht auch dem gescheiterten Medienunternehmer Leo Kirch zu, der seinen Krieg gegen die Deutsche Bank eben nicht nur vor Gericht führt.
Da verdient es schon festgehalten zu werden, dass eine Hauptversammlung auch noch ein Forum für wirklich fruchtbare Diskussionen sein kann. Auch dies hat das von Rolf-Ernst Breuer souverän moderierte Treffen der Deutsche-Bank-Aktionäre gezeigt. Vorstandssprecher Josef Ackermann nutzte die Gelegenheit, klare Antworten auf die alles andere als beschäftigungsfördernde Kapitalismuskritik zu geben. Er half mit grundsätzlichen Bemerkungen zur Ausrichtung seines Hauses, dass die Öffentlichkeit das unbekannte Wesen Deutsche Bank besser verstehen kann. Und er fand passende Worte, um auf glaubwürdige Weise die viel kritisierte Kommunikationspolitik der Bank zu erklären, insbesondere was die Koinzidenz von Gewinnen und Stellenabbau angeht.
Zur Kommunikation gehören immer zwei: einer, der etwas sagt, und einer, der zuhört. Gerade an dieser Wahrnehmung mangelt es oft: Wer will schon wissen, dass die Deutsche Bank auch viele hundert neue Arbeitsplätze schafft?
(Börsen-Zeitung, 19.5.2005)
Rückfragen bitte an:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
Original content of: Börsen-Zeitung, transmitted by news aktuell