Börsen-Zeitung: Gelebte Aktionärsdemokratie - Kommentar zur Hauptversammlung der Deutschen Börse von Dieter Kuckelkorn
Frankfurt (ots)
Auch wenn es auf der Hauptversammlung der Deutschen Börse nicht zu dem von einigen Zuschauern erhofften Showdown zwischen der Verwaltung und den opponierenden Aktionären gekommen ist, es hat sich zweifellos um eine denkwürdige Veranstaltung gehandelt. Die Vorschläge der Verwaltung wurden nicht mit den sonst üblichen astronomisch hohen Zustimmungsquoten goutiert, wie sie früher jedem Ostblock-Politiker zur Zierde gereicht hätten. Zwar wurde Vorstand und Aufsichtsrat Entlastung gewährt, sie trugen jedoch ein blaues Auge davon.
Bei einem wichtigen Tagesordnungspunkt scheiterte die Verwaltung sogar: Es konnten sich nicht genügend Aktionäre für die Idee erwärmen, dem Vorstand per Vorratsbeschluss die Genehmigung für Kapitalerhöhungen in einem stattlichen Umfang zu geben. Dies verwundert nicht: Bei der Deutschen Börse geht es in nächster Zeit eher um die Rückführung von Kapital an die Anteilseigner. Zudem hatte die Gesellschaft versucht, eine Akquisition zu einem hohen Preis gegen den Willen der Mehrheit der Aktionäre durchzusetzen. Dass die Anteilseigner künftig in jedem Einzelfall gefragt werden wollen, ist verständlich. TCI-Chef Christopher Hohn nennt das zu Recht gelebte Aktionärsdemokratie und gute Corporate Governance. Obwohl die gegenwärtige, von angelsächsischen Adressen dominierte Struktur des Aktionariats der Börse eher die Ausnahme bei den deutschen Publikumsgesellschaften bleiben wird, so ist mit Nachwirkungen über das Unternehmen hinaus zu rechnen. Künftig werden auch deutsche Investoren Vorstände und Aufsichtsräte enger an die Kandare nehmen. Dieser Trend birgt natürlich auch Gefahren. Unter anderem droht die Ausrichtung der Gesellschaften bei stärkerem Druck der Aktionäre noch kurzfristiger zu werden. Allerdings fällt auf, dass es bei der Deutschen Börse gerade die nach eigener Aussage langfristig orientierten deutschen Institutionellen sind, die längst verkauft haben. Die vielgescholtenen Hedgefonds wie TCI und Atticus sind hingegen nach wie vor engagiert und betonen die langfristige Wertschöpfung.
Per saldo deutet sich damit ein durchaus fruchtbarer Dialog zwischen den Gesellschaften und ihren Aktionären an, der auf längere Sicht positiv zur Entwicklung des Standorts Deutschland beitragen wird.
(Börsen-Zeitung, 27.5.2005)
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