Börsen-Zeitung: Die Weihnachtsgeschichte, Kommentar von Michael Flämig zur Bankenkonsolidierung
Frankfurt (ots)
Mit der Bankenkonsolidierung ist es wie mit dem Weihnachtsmann: Man weiß nicht so genau, was sie bringt. Aber man glaubt zu wissen, dass es so schlecht nicht sein kann. Insofern genießt das Wortungetüm Bankenkonsolidierung derzeit ähnlich hohe gesellschaftliche Akzeptanz wie der Weihnachtsmann.
Dies lässt sich an der Übernahme der HypoVereinsbank (HVB) durch Unicredito zeigen. Gibt es Klagen der Politik darüber, dass das Herz der zweitgrößten börsennotierten Bank Deutschlands wohl künftig in Mailand schlägt? Nein. Entsteht ein gesellschaftlicher Diskurs über die Rolle von Kreditinstituten für die Volkswirtschaft? Ebenfalls Fehlanzeige. Die quasi öffentliche Verhandlungsführung der Fusionspartner kontrastiert frappierend mit der Lustlosigkeit meinungsmachender gesellschaftlicher Kreise jenseits der ökonomischen Experten, sich intensiv mit dem Thema auseinander zu setzen.
Es gibt viele Gründe für die Gedankenlosigkeit. Die emotionale Verbindung positiver oder negativer Art mit dem identitätssuchenden Fusionsgebilde HVB Group ist weniger ausgeprägt als etwa mit der traditionsreichen Deutschen Bank. Außerdem nimmt die Öffentlichkeit die HVB eher als Pleitekandidaten denn als Pfeiler des Wirtschaftslebens wahr. Darüberhinaus zeigt das Mantra der Notwendigkeit einer Banken-Bereinigung seine Wirkung. Deutschland geht es mit der Konsolidierung so wie kleinen Kindern, die zu lange dem Weihnachtsmann entgegen gefiebert haben. Hauptsache, das Warten hat ein Ende und wird mit einem bunt verpackten Geschenk belohnt.
Bei Unicredito/HVB ist es jedoch wie mit manchem Präsent. Der Schein trügt. Die Übernahme gehört zwar in die Kategorie grenzüberschreitende Konsolidierung. Sie wird aber nicht die Folgen zeigen, die man von einer Marktbereinigung erwarten darf: Margenstärkung durch Ausschaltung eines wichtigen Wettbewerbers.
In Osteuropa sind die Renditen sowieso sehr hoch. In Süddeutschland/Norditalien/Österreich gibt es kaum Überschneidungen beider Institute. Und in Deutschland? Dort lindert die Übernahme die Probleme keinen Deut. Im Gegenteil. Wenn Unicredito die HVB stärkt und ihren Aktionsradius über den Süden und Hamburg ausdehnt, wird der Konkurrenzkampf schärfer. Konsolidierung mündet in Konfrontation. Keine schöne Weihnachtsgeschichte für die Kreditwirtschaft.
(Börsen-Zeitung, 11.6.2005)
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