Börsen-Zeitung: Nach der Wahl ist vor der Wahl, Kommentar zur Lage am IPO-Markt von Walther Becker
Frankfurt (ots)
Die Aufnahmebereitschaft des europäischen Aktien-Primärmarktes ist enorm. Zum Beispiel Enel: Mit 12 Mrd. Euro gingen die Investoren ins Rennen. Da hatte der italienische Staat leichtes Spiel, Anteile für mehr als 4 Mrd. Euro zu platzieren. In Paris wird man die Kunde mit Freude vernommen haben, klopft doch mit Gaz de France das nächste Schwergewicht an das Börsentor. Hier soll es um 4,5 Mrd. Euro gehen. Übermorgen ist der erste Handelstag. Gerade bei Privatisierungen hat Frankreich mit dem Stromriesen EdF und Autobahnbetreibern noch einiges in petto.
Die Aufnahmebereitschaft ist da und der Appetit der Privatanleger auf Dividendenwerte wieder geweckt. Ob France Télécom, die jüngst für 3,4 Mrd. Euro Aktien verkaufte, Enel oder die französischen Versorger: durchweg kommen Emittenten, die den Kapitalmarkt anzapfen, auf eine überproportional hohe Ausschüttung. Im Fall Italien wurde aufgrund der regen Nachfrage der Privatanleger die Retail-Tranche von 30 auf 50% aufgestockt. Das lässt hoffen. Immerhin zeigte Europa als Ganzes im ersten Halbjahr dem amerikanischen Aktienmarkt bei Neuzugängen die Rücklichter. Auf nicht einmal die Hälfte des europäischen Volumens sind Nyse und Nasdaq gekommen. Umso beschämender ist das Abschneiden der deutschen Börse. Bloß auf Platz 5, hinter Wien, rangiert Frankfurt, der Finanzplatz der größten Volkswirtschaft Europas. US-Investoren, die hierzulande Schulden, Immobilien, faule Kredite und florierende Firmen kaufen, ist Bedeutung und Bewertung der Bundesrepublik längst klar.
Zunächst gibts noch eine IPO-Durststrecke. Doch von der Bundestagswahl im September wird die Initialzündung erwartet. Dann sollte die politische Unsicherheit ein wenig heraus sein. Auf die vier Börsenneulinge bisher sollen noch mindesten sechs folgen. Die Pipeline ist in allen Klassen gefüllt: von kleinen, defizitären Kandidaten aus der Biotech für ein spezielles Anlegerpublikum über Solar-Werte bis hin zu Schwergewichten wie Springer-Fachverlage, die auf eine Bewertung über 2 Mrd. Euro kommen.
Gelingen IPOs mit Retail-Beteiligung in weit stärker regulierten Volkswirtschaften wie Frankreich und Italien, dann sollte dies auch in Deutschland möglich sein. Umso besser, wenn Institutionelle und Privatanleger nach der Bundestagswahl zwischen attraktiven Börsenneulingen wählen können
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