Börsen-Zeitung: Realismus regiert, Kommentar zum Regierungsprogramm der CDU/CSU von Angela Wefers
Frankfurt (ots)
Angela Merkel hat bei der offiziellen Bekanntgabe des Wahlprogramms von CDU und CSU keinen Zweifel daran gelassen, dass sie fest mit dem Sieg der Union bei vorgezogenen Neuwahlen im Herbst rechnet, und auch damit, die Versprechen des Unionsprogramms einlösen zu müssen. An einigen Punkten haben die Schwesterparteien deshalb Abstriche vorgenommen, um später nicht falscher Wahlversprechen bezichtigt zu werden. So ist bei der beabsichtigten Einkommensteuerreform keine Nettoentlastung mehr vorgesehen, die Senkung des Körperschaftsteuersatzes fällt magerer aus als noch beim Job-Gipfel geplant und kommt erst frühestens 2007. Auch die Haushaltskonsolidierung lässt auf sich warten. 2006 und 2007 ist das Maastricht-Defizitkriterium danach noch nicht wieder zu erreichen.
Die größte Enttäuschung ist aber die geplanten Mehrwertsteuererhöhung um 2 Punkte, mit der die Union zwar ein sinnvolles Vorhaben finanzieren will die Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung und damit der Lohnnebenkosten , was aber doch den Eindruck nicht verwischen kann, dass auch diese Partei es nicht schafft, zunächst die Ausgaben auf Kürzungsmöglichkeiten hin zu durchforsten, bevor sie zum Mittel der Steuererhöhung greift. Bei aller Konkretheit des Programms, besonders zu den geplanten Reformen in den Strukturen des Arbeitsmarkts, bleiben die Ankündigungen auf allgemeine Subventionskürzungen dünn. Sie beschränken sich auf Hinweise auf den Steinkohlebergbau sowie die weitere pauschale und schrittweise Kürzung sonstiger Subventionen. Auch die in Aussicht gestellte Abschaffung von ineffizienten, aber teuren arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen wird nicht konkretisiert.
Eine Mehrwertsteuererhöhung ist in einer schwachen Wirtschaftsphase alles andere als ein gelungenes Konjunkturprogramm. Ob gerade Bezieher geringer Einkommen mit einer hohen Konsumquote besonders belastet werden, hängt vom Spielraum ab, den die Unternehmen haben, diese Steuererhöhung in den Preisen weiterzugeben. Gerade der Einzelhandel dürfte mit Blick auf die schwierige Lage der Branche fürchten, dass er auf der Mehrwertsteuererhöhung sitzen bleibt. Schon deshalb war die vorauseilende Kritik so deutlich. Denn dann schlägt die höhere Mehrwertsteuer sich eben in den Unternehmensergebnissen, aber nicht bei den Verbrauchern nieder.
Trotz dieses Schönheitsfehlers verspricht das Unionsprogramm deutlich mehr Bewegung in Deutschland als das der Sozialdemokraten. Die SPD will möglichst wenig verändern, verweist auf das Geleistete und stellt die Frage der Gerechtigkeit und sozialen Balance in den Vordergrund. An der Struktur des Arbeitsmarktes, den Vorschriften des Arbeits- und Betriebsverfassungsrechts sowie am weitreichenden Einfluss der Tarifparteien will sie festhalten und lehnt gesetzliche Lockerungen ab. Hinter einer Reihe von angestrebten Regelungen wie die eines Mindestlohns sei dieser tariflich oder als Ultima Ratio gesetzlich verankert oder Mindeststeuern auf europäischer Ebene folgt die SPD der Vorstellung, mit Schutzvorschriften den unangenehmen Druck international wachsenden Wettbewerbs abwehren zu können.
Die Senkung des Beitrags zur Arbeitlosenversicherung und ein umfangreicher Katalog von Maßnahmen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes geben die Hoffnung, dass Unternehmen leichter neue Mitarbeiter einstellen, weil Arbeit billiger wird, die Lohnnebenkosten sinken, die Unternehmen auf Auftragsschwankungen leichter reagieren können und Entscheidungen stärker auf den Betrieb zugeschnitten sein werden, als es der Flächentarifvertrag heute erlaubt. Auch für einfache, niedrig entlohnte Arbeit können sich mit dem Kombi-Lohn-Modell wieder Menschen für solche Tätigkeiten finden. Die geplante Einführung einer Gesundheitsprämie wirkt in dieselbe Richtung.
In steuerlicher Hinsicht stellt die Union die Wirtschaft jedoch auf eine schwere Geduldsprobe. Eine umfängliche Unternehmenssteuer- und Einkommensteuerreform steht zwar auf der Agenda, und das auch mit der besonders von der Kreditwirtschaft lang ersehnten Einführung einer Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge jedoch erst für 2007. Im nächsten Jahr sind nur Maßnahmen an der Bemessungsgrundlage vorgesehen, die das Steueraufkommen mehren sollen, darunter auch mit ungenauem Zeitpunkt die Wiedereinführung der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Beteiligungen von Kapitalgesellschaften. Zudem soll der Körperschaftsteuersatz nur auf 22% und nicht auf 19% sinken, wie es die SPD plant. Da Änderungen an der Gewerbesteuer vorerst auch nicht vorgesehen sind, muss die Union an diesem Punkt nachbessern, wenn Deutschland als Unternehmensstandort attraktiv sein soll. Noch immer liegt die Steuerbelastung deutscher Unternehmen im internationalen Vergleich in der Spitzengruppe.
Die Union hat sich dafür entschieden, möglichst realistische Zeitpläne zu liefern und möglichst wenig finanzielle Risiken einzugehen. Etwas mehr Mut würde auch etwas mehr Schwung versprechen und Bewegung in die Wirtschaft bringen, damit Deutschland wieder in Fahrt kommt.
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