Börsen-Zeitung: Tui ahoi! Kommentar von Gottfried Mehner zu den Zukaufsabsichten von Tui in der Schifffahrt
Frankfurt (ots)
Tui mutet dem Markt wieder einmal zu viel zu: Dass der Kurs am Freitag nach der Bestätigung von Zukaufsabsichten in der Schifffahrt dermaßen ins Wellental rauschte, konnte wirklich niemanden überraschen. Im Markt ist immer noch nicht richtig verankert, dass sich Tui wirklich nicht nur als reiner Touristikkonzern mit Restaktivitäten in der Schifffahrt, sondern als gewollter Zweibranchenkonzern versteht.
Aus Sicht der ertragstarken Schifffahrtstochter Hapag-Lloyd sind Zukaufswünsche natürlich voll nachvollziehbar und das fast schon zwingend: Die Reedereibranche veränderte sich zur Jahresmitte durch die Megafusion von Mærsk Sealand mit P&O Nedlloyd dramatisch. Hier hatten sich die mit großem Abstand weltweit führenden Dänen die Nummer drei des Marktes gekrallt und sich damit fast uneinholbar vom Verfolgerfeld abgesetzt. Zum ersten Mal kann eine Großreederei Rund- um-die-Welt-Verkehre in eigener Regie bewerkstelligen. Bislang waren weltweit enggestaffelte Fahrpläne und Hafenfrequenzen nur über enge Kooperationen im Rahmen der so genannten Schifffahrtskonferenzen möglich. Folgerichtig verließ Mærsk umgehend auch die Grand Alliance eine Art Star Alliance zu Wasser , bei der auch Hapag- Lloyd ein Mitglied ist.
Obwohl die Großreederei Mærsk die Übernahme von P&O Nedlloyd (2,3 Mrd. Euro) wirklich aus der Portokasse bezahlen konnte, gab es an den Märkten Vorhaltungen, dass an der Zyklusspitze gekauft werde. Bei den aktuellen Tui-Plänen sieht die Finanzierungsseite aber wirklich kritisch aus. Eine Kapitalerhöhung, mit der rund 1 Mrd. Euro geholt werden sollen, wird der Markt nicht besonders goutieren. Zudem dürfte ein erneut verschlechtertes Gearing auch den laufenden Ratingprozess, bei dem ein Investment Grade erwartet wird, gefährden.
Es ist jetzt genau ein Jahr her, dass Tui bei Hapag-Lloyd das Relisting absagte. Damals lief gerade die Hedgefondsattacke, weil Tui mit einer anämischen Bewertung von 1,8 Mrd. Euro kurz vor dem Dax-Rauswurf stand. Für eine eigenständig notierte Hapag-Lloyd wäre ein Kapitalerhöhung mit konkretem Bezug auf eine Übernahme dagegen kein Problem, vorausgesetzt, es kommt nicht gerade zu einem Wettbieten. Aber in der jetzigen Konstellation hat Hapag-Lloyd einfach die falsche Mutter.
(Börsen-Zeitung, 20.8.2005)
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