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Börsen-Zeitung: Politische Konjunktur, Kommentar von Reinhard Kuls

Frankfurt (ots)

Auch wenn die jüngsten Daten zur
Industrieproduktion und zu den Neuaufträgen weit schlechter
ausgefallen sind als erwartet, bedeutet dies nicht den Abbruch des
moderaten Aufschwungs in Deutschland, denn viel war statistischen
Effekten geschuldet. Auch widersprechen die „harten Zahlen“ nicht dem
Stimmungsindikator Ifo-Geschäftsklima, der sich zuletzt kräftig
aufgehellt hat. Dass aber auch kein Grund für großen Optimismus
vorliegt, demonstrieren die ZEW- Konjunkturerwartungen, die sich in
diesem Monat kaum verbessert haben.
Inzwischen mehren sich die Zeichen, dass der übliche
Konjunkturzyklus in Deutschland nun die bereits überfällige nächste
Stufe erreicht. Nach dem Wachstumsmotor Export scheint auch die
Binnennachfrage etwas in Schwung zu kommen. Bei den
Investitionsgütern gibt es schon seit einer Reihe von Monaten Zeichen
der Besserung, und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag
(DIHK) machte in seiner jüngsten Firmenbefragung eine leicht nach
oben zeigende Tendenz in den Beschäftigungsplänen aus. Als Belege für
die insgesamt etwas positivere Wachstumserwartung zog der DIHK
bessere Geschäftsaussichten im Einzelhandel, Gastgewerbe,
Ernährungsgewerbe und in der Freizeitwirtschaft heran. Dass der HDE
hier eine pessimistischere Einschätzung an den Tag legt, überrascht
nicht, fiel der Einzelhandelsverband doch noch nie durch Jubelneigung
auf.
Allerdings, selbst wenn zutreffen sollte, was der DIHK
prognostiziert, dass nämlich der Konsum nicht mehr bloß der
Konjunktur hinterhertaumle, sondern selbst an Kraft gewinne, so ist
das noch kein Anlass für Euphorie. Gerade die Indizes von Ifo-
Institut und ZEW zeigen anschaulich, dass die derzeitige
Wirtschaftsentwicklung in hohem Maße eine „politische Konjunktur“
ist. Denn die Ifo-Umfrageantworten kamen mehrheitlich vor der
Bundestagswahl zurück, zu einem Zeitpunkt also, als noch alles nach
einem Sieg von Union und FDP aussah und damit derjenigen politischen
Kräfte, denen man den größeren Reformeifer zusprach. Im ZEW-Index
drückt sich jetzt die Sorge aus, eine große Koalition werde mehr mit
sich selbst als mit der Sanierung der öffentlichen Haushalte und der
Sozialsysteme beschäftigt sein. Ohne dauerhafte und überzeugende
Lösung dieser Probleme wird aber kein Aufschwung möglich sein, der
diesen Namen auch verdient.

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Telefon: 069--2732-0

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