Börsen-Zeitung: System der Illoyalität, Kommentar von Michael Flämig zu den Rücktritten im Vorstand der HypoVereinsbank
Frankfurt (ots)
Die HypoVereinsbank geht ohne Führung in die Unicredit-Integration. Etwa die Hälfte des siebenköpfigen Vorstands verlässt die Bank im Frust oder gar im Zorn. Der Rücktritt von Investmentbanker Stefan Jentzsch wirkt dabei als besonderer Paukenschlag, weil er in den Holding-Vorstand aufrücken sollte und insofern als Fusionsgewinner galt. Nun bleibt voraussichtlich der heutige Finanzvorstand für die Spitzenposition in der HVB AG übrig. Diese Entwicklung ist ein Desaster für die Bank, sie offenbart ein erschreckendes Maß an Illoyalität.Wiekonntees so weit kommen?
Für den Zerfall der Führungsmannschaft gibt es individuell unterschiedliche Auslöser, zu denen auch Abfindungen gehören mögen. Doch es lassen sich zwei übergreifende Ursachen identifizieren. Erstens: Die neuen Eigentümer nehmen das Zepter energisch in die Hand und gehen dabei teilweise grob vor. Das ist ihr gutes Recht, doch lebt eine Bank auch von der Motivation des Personals. Dies spielt insbesondere im Retailgeschäft eine Rolle, wo Chefin Christine Licci ihren Gestaltungsspielraum beeinträchtigt sah. Noch stärker spürte Jentzsch die Vorgaben von CEO Alessandro Profumo. Statt avisierter Expansion steht nun das Eindampfen des Kapitalmarktgeschäfts zur Diskussion. Dabei sind der Wille und die Fähigkeit zum Verständnis des komplexen HVB-Business auf Unicredit- Seite offenbar beschränkt. Das Prinzip des principe, des fürstenähnlich agierenden Oberhauptes in italienischen Familienbetrieben, schlägt durch: Was Profumo will, darf nicht mehr grundsätzlich hinterfragt werden. Diese Kultur mag in übersichtlichen Strukturen funktionieren. In der Topliga Europas kann sie zur Achillesferse werden.
Doch bei Fusionen gibt es immer Machtkämpfe. Somit macht erst die Kombination mit dem zweiten Faktor den Zerfall unter Führung von Vorstandschef Dieter Rampl verständlich. In der HVB herrscht seit langem ein System der Illoyalität. Wer in diesem Umfeld Loyalität einfordert, der ist vielleicht nicht immer mit gutem Beispiel vorangegangen. Manche Vorstandsmitglieder wollen nach ihrer Berufung neben Kumpelhaftigkeit eine gewisse Respektlosigkeit vor ihrer Person festgestellt haben. Manager wurden jüngst in ständigen Personalspekulationen beschädigt. Die Bank hat Versprechungen schneller abgeschrieben als Kredite. Sie steht nunvordemScherbenhaufendieser Politik.
(Börsen-Zeitung, 8.11.2005)
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