Börsen-Zeitung: Klausur bestanden, Kommentar von Angela Wefers zur ersten Klausurtagung der schwarz-roten Regierung
Frankfurt (ots)
Die erste Klausur der neuen schwarz-roten Regierung war ein Erfolg. Nicht so sehr die in Schloss Genshagen bei Berlin gefassten Beschlüsse sind der Beleg dafür, sondern die Art und Weise, wie das neue Kabinett seine Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umsetzt. Dissens, der sich vor der Klausur abzeichnete und leicht zu einem handfesten Streit hätte ausarten können wie die umstrittene Frage der finanziellen Flankierung von Kosten der Kinderbetreuung durch den Staat , haben Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Franz Müntefering elegant ausgeräumt. Es bleibt bei dem Ausgabevolumen, das für die Kinderbetreuung vorgesehen war. Die letzten Einzelheiten der Ausgestaltung werden erst festgelegt, wenn die abschließende Berechnung vorliegt.
Der neuen Regierung scheint es ernst mit der Konsolidierung der Finanzen zu sein. Zarte Versuche aus der SPD, das Investitionsprogramm über 25 Mrd. Euro hinaus auszuweiten, waren nicht erfolgreich. Finanzminister Peer Steinbrück soll es nicht so gehen wie seinem Vorgänger Hans Eichel, den das Kabinett im Stich gelassen und finanzwirksame Maßnahmen wider dessen Willen beschlossen hatte. Das Ziel, die Neuverschuldung zu drosseln und 2007 wieder Grundgesetz und Europäischen Stabilitätspakt zu erfüllen, steht fest auf der Agenda der neuen Regierung. Doch Vorsicht: Auch Eichel hatte zunächst die Unterstützung des Kabinetts für Sparmaßnahmen. Dann aber verließ Kanzler Gerhard Schröder und seine Minister zu früh der Elan, auf Kurs zu bleiben.
Mit Blick auf die hohe Schuldenlast des Bundes und die Zinsen, die inzwischen ein Sechstel der Ausgaben für andere Zwecke blockieren, bleibt die Konsolidierung eine langfristige Aufgabe. Nur wenn der Zinsanteil sinkt, kann der Bund auf Sicht wieder finanziellen Bewegungsspielraum gewinnen.
Das Investitionsprogramm passt in den Konsolidierungskurs. Die zusätzlichen Ausgaben werden durch Kürzungen an anderer Stelle eingefangen bei der Beseitigung von Steuervergünstigungen, der Eigenheimzulage, bei Bundeszuschüssen zu den Sozialsystemen. Für die großen Reformpläne bei Gesundheit und Pflege sowie bei der Unternehmensbesteuerung, die auch eine knapp zweitägige Klausur nicht stemmen kann, hat das Kabinett immerhin einen Zeitplan gesetzt. Darauf sind Merkel und Müntefering nun festgenagelt.
(Börsen-Zeitung, 11.1.2006)
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