Börsen-Zeitung: Hochmut kommt vor dem Fall, Kommentar von Heidi Rohde zu den strategischen Herausforderungen für die Deutsche Telekom
Frankfurt (ots)
Auch wenn die T-Aktie am Kapitalmarkt ein Trauerspiel gibt: Telekom- Chef Kai-Uwe Ricke spuckt unbeirrt große Töne. Dabei ist die angedeutete Alternativ-Allokation von Investitionen, falls das neue Glasfasernetz doch der Regulierung unterworfen wird, vermutlich eine leere Drohung. Die Telekom braucht das Netz, um insbesondere in Ballungszentren der Konkurrenz Paroli zu bieten und endlich den Umsatz- und Marktanteilsverfall der Festnetzsparte zu stoppen die schließlich immer noch die Cash-cow der Telekom darstellt.
Der Telekom-Lenker, der das Geschäft der Branche wie seine Westentasche kennt, mag strategisch die richtigen Fernziele haben. Auf dem Weg dorthin stolpert er allerdings von einem Fettnapf zum nächsten. An der Vision vom am schnellsten wachsenden integrierten Telekommunikations-Dienstleister Europas stört nach wie vor, dass das Wachstum fast ausschließlich aus den fernen USA kommt, noch dazu von einer Tochter, deren unbestrittene operative Erfolge demnächst durch eine üppige Investition genährt werden müssen.
Mit der Integration hapert es ebenfalls, denn bei der Wiedereingliederung der Internettochter T-Online wurde der Versuch, auf Nummer Sicher zu gehen (und das noch möglichst billig), für die Telekom zum Bumerang. Jenseits rechnerischer Vereinigungsformeln 0,52 T-Aktien für eine T-Online , die nach vermeintlich unanfechtbarem rechtlichem Verfahren ermittelt wurden, hat der Telekom-Vorstand die Gegenwehr und ihre Folgen unterschätzt. Der öffentliche Aufschrei über ein Rückkaufangebot, das mit der Kapitalmarktgepflogenheit einer ordentlichen Prämie bricht, hat die Gerichte veranlasst, den Fall lieber in Ruhe zu betrachten.
Der vermeintlich schnellste und sicherste Weg der Reintegration droht nun zum langen Marsch durch rechtliche Institutionen zu werden. Ob das im Sinne der T-Aktionäre ist, die vor einer vermeintlich unvertretbaren Prämie bewahrt werden sollten? Wohl kaum, wenn man der Deutschen Telekom selbst glauben schenkt, die aufgrund der Verzögerung erhebliche finanzielle Ausfälle geltend macht.
Ricke hat dem Kapitalmarkt die kalte Schulter gezeigt, ein Fehler, den schon einmal ein Telekom-Lenker teuer bezahlt hat. Dass Hochmut vor dem Fall kommt, weiß niemand besser als Alt-Visionär Ron Sommer.
(Börsen-Zeitung, 4.2.2006)
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