Börsen-Zeitung: Grundwartung bei VW, Kommentar zur angekündigten Restrukturierung von Gottfried Mehner
Frankfurt (ots)
Die ganze Wahrheit wollte VW am Freitag noch nicht auftischen: Bis zu 20000 Jobs könnten in den nächsten drei Jahren im direkten und indirekten Bereich der Inlandsmontage und der Komponentenwerke nicht zu halten sein. Auf Basis einer 40-Stunden-Arbeitswoche hat VW sogar eher 40000 Mitarbeiter zu viel an Bord. Aber immerhin: VW scheint sich ganz allmählich den Realitäten zu stellen.
Die Börse reagierte mit viel Vorschusslobeeren: Mit einem Kursplus von fast 10% auf ein 52-Wochen-Hoch lag VW zu Wochenschluss an der Dax-Spitze. Eine solche Situation hatte sich zuletzt im Herbst ergeben, als Porsche als neuer Großaktionär auftauchte. Noch vor wenigen Wochen hatte VW-Lenker Bernd Pischetsrieder erklärt, dass der im Vorjahr um die China-Effekte bereinigte Mehrabsatz von 240000 Einheiten ein ganzes Werk auslaste. Das roch nach Unlust zu handeln und Augen zu und durch. Jetzt sollen die Probleme plötzlich konsequent und schnell beseitigt werden. Die Unterauslastungen wurden zu drückend, und einzelne Komponentenwerke fielen offensichtlich wieder in ihren alten Trott zurück. Allerdings wäre es die bessere Nachricht gewesen, wenn das Restrukturierungsprogramm nicht nur vorbereitet, sondern schon beschlossen wäre.
Hier sind noch gewaltige und nicht zu unterschätzende Hürden zu nehmen. VWs Inlandswerke sind zu 97% gewerkschaftlich organisiert. Keine Maschine darf verschoben werden, wenn nicht die Mitbestimmungsgremien dies zuvor abgenickt haben. Insofern liefert VW pflichtgemäß auch den dialektischen Salto: Man stehe zu dem Ende 2004 abgeschlossenen Tarifvertrag, bei dem für eine zweijährige Lohnpause weitreichende Beschäftigungsgarantien ausgesprochen wurden. Dies war damals als reine Selbstknebelung empfunden worden. Egal. Unter Verweis auf die derzeitigen Rahmenbedingungen werden zügige Verhandlungen mit der Arbeitnehmerbank angestrebt.
Dies wird kein leichter und auch kein kurzer Gang. Eine grundlegende Verbesserung der Produktivität, der Arbeitskosten und höhere Auslastungsgrade erwartet Wolfgang Bernhard nicht vor 2010. Aber das setzt eben die notwendige Einsicht voraus, dass ein guter Tarifvertrag ohne Arbeitsplatz nichts wert ist.
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