Börsen-Zeitung: Pischetsrieder ausgebremst, Kommentar zur Besetzung der VW- Führungsspitze von Gottfried Mehner
Frankfurt (ots)
In der üblichen spektakulären Art hat Ferdinand Piëch seinen Nachfolger Bernd Pischetsrieder öffentlich demontiert und die Besetzung der Führungsspitze bei Volkswagen für offen erklärt. Hier ist keine Heimtücke mit im Spiel: Eine erste Vorwarnung gab es im Zusammenhang mit der Berufung von Horst Neumann gegen den erklärten Willen von Pischetsrieder. Jetzt folgt Eskalationsschritt Nr. 2, indem Piëch in einem Interview mit dem Wall Street Journal öffentlich darüber räsoniert, dass ein Großunternehmen nicht von einem Mann an der Spitze gesteuert werden kann, der die komplette Arbeitnehmerbank gegen sich hat.
Bei Piëch darf man getrost unterstellen, dass ihm die gesamte Linie bei VW seit einigen Jahren nicht mehr passt: zu viel Stillstand, zu wenig Traute, zu viel Mittelmaß. Beim ersten automobilen Großereignis in diesem Jahr auf der Detroit Motor Show stand der Massenhersteller VW mit leeren Händen da. Dabei sind die USA für den Konzern gegenwärtig das größte Verlustloch. Schlimmer kann ein automobiler Offenbarungseid kaum ausfallen.
Piëchs erste Priorität war immer der Angriff. Dass die Wettbewerber General Motors und Ford Schwächen zeigen, hätte der Industriedarwinist Piëch sofort ausgenutzt. Wer nicht die Flucht nach vorn versucht, hat in diesen Zeiten sofort ein riesiges Kapazitätsproblem an den Hacken. Pischetsrieder hat nach viel Gezaudere bis zu 20000 Jobs bei VW für überzählig erklärt. Dabei war klar, dass die Arbeitnehmerbank die alleinige Schuldzuweisung für den aktuellen Schlamassel nicht akzeptieren und auch auf Konsequenzen im Management bestehen würde: Wenn die Belegschaft zu schmerzhaften Veränderungen gezwungen wird, muss sich dies auch an der Spitze niederschlagen. Das ist einfache Wolfsburger Konsensmechanik.
Viel läuft bei diesem Konflikt an den Konfrontationslinien Techniker gegen Betriebswirtschaftler und Expansionisten gegen Statiker ab. Der technologische Overkill der Ära Piëch mit einer Kopf-durch-die Wand-Politik war betriebswirtschaftlich nie besonders überzeugend. Aber VW konnte zeitweilig von einer enormen Imageaufladung profitieren. Pischetsrieder blieb nach vier Jahren an der Spitze blass. Bei einem Konzern, der 100 Mrd. Euro umsetzt, ganze 3,5 Mrd. brutto einzusparen, zeugt nicht von unbändigem Gestaltungswillen.
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