Boersen-Zeitung: VW auf der Standspur, Kommentar zur Aufsichtsratssitzung bei Volkswagen von Gottfried Mehner
Frankfurt (ots)
Ein Befreiungsschlag war in Wolfsburg nicht zu erwarten. Und er kam auch nicht. Bei einem Organisationsgrad von 97% und einer in den Betriebsratswahlen klar gestärkten IG Metall war absehbar, dass die Kapitalseite nach den Hartz- und Volkert-Skandalen erst einmal die wiedergewonnene Geschlossenheit aushalten muss. Das alles hat Ritualcharakter. Aber es bringt einen enormen Tempoverlust für Volkswagen mit sich.
Mit zu den im Wolfsburger Biotop gepflegten Besonderheiten gehört es auch, dem Management deutlich vorzuführen, welche Fehler in Modellpolitik und Arbeitsorganisation passiert sind. Auch das hält nur auf. In diesem Umfeld war klar, dass die starke Arbeitnehmerbank einen Teufel tun würde, um dem Management auch nur einen Millimeter entgegenzukommen.
In gut geführten Unternehmen fallen Entscheidungen. In Wolfsburg werden Resolutionen abgegeben. Der Aufsichtsrat stimmte "der Notwendigkeit der Verbesserung der Situation der Marke Volkswagen" zu. Solche Sätze müssten zum Straftatbestand werden. Extern interessiert nur das Wie - wie sich Volkswagen aus der Misere befreien will und welche Maßnahmen konkret getroffen werden. Die Märkte gingen davon aus, dass nach dem milliardenschweren Einstieg von Porsche mehr Zug in die Strukturen kommen würde. Die Analysen liegen ja längst auf dem Tisch. Die traditionellen Inlandswerke verlieren dreistellige Millionenbeträge. Es dauert zu lange, bis die Ware von den Bändern kommt, und die 28,8-Stunden-Woche ist unhaltbar.
Immerhin wurde das Management beauftragt, "Verhandlungen" mit der Arbeitnehmerbank aufzunehmen. VW hat sich mit einem Beschäftigungspakt ja bis 2012 selbst geknebelt. Insofern sind nur teure freiwillige Lösungen denkbar. Dass der Tarifvertrag gekündigt wird, gilt als ausgeschlossen. Weil VW die kapitalintensiven Inlandswerke stärker auslasten muss, weil deren Unterauslastung ergebnismäßig stärker belastet als Kapazitätsschnitte bei den kostengünstigeren Auslandseinheiten, verfügen die Arbeitnehmer über eine starke Position.
Extern hat sich viel auf die Frage zugespitzt, ob Bernd Pischetsrieder weiter der richtige Mann an der Spitze ist. Man wird den Verdacht nicht los, dass er bleibt, wohl aber nur, um den Heißsporn Wolfgang Bernhard zu stoppen.
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