Boersen-Zeitung: Börsenfusion ohne Synergien, Kommentar von Dieter Kuckelkorn zu den betriebswirtschaftlichen Aspekten von Börsenzusammenschlüssen
Frankfurt (ots)
In der aktuellen Diskussion um die Neugestaltung der globalen Börsenlandschaft gibt es einen beunruhigenden Aspekt. Im Hype um die Börsenfusionen wird die Frage, ob diese betriebswirtschaftlich sinnvoll sind, sträflich vernachlässigt. An diesem zentralen Punkt sind jedoch beispielsweise die Mega-Merger der Jahrtausendwende letztlich gescheitert.
Die bisher erörterten Kombinationen sehen nicht sehr überzeugend aus. Eine Fusion von Euronext und Deutscher Börse wäre zum Beispiel aufgrund von Kosten-Synergien durch die Vereinheitlichung der IT-Systeme noch am vielversprechendsten.
Wesentlich differenzierter hingegen wäre eine Liaison von Nyse und Euronext zu beurteilen. Anders als bei Zusammenführung der Börsen von Paris, Amsterdam, Brüssel und Lissabon unter einem Konzerndach ließen sich jetzt kaum Synergien im Bereich der Handelssysteme und der Abwicklung heben, weil das Umfeld der Märkte in Europa und den USA einschließlich der rechtlichen Rahmenbedingungen einfach zu unterschiedlich ist. So stellen die Euronext-Aktienbörsen in sich abgeschlossene nationale Monopole dar, während die Nyse im Wettbewerb zur Nasdaq und zu elektronischen Handelsplattformen steht, wobei eine einheitliche Preisbildung auf allen Handelsplätzen gefordert wird.
Damit bleiben die strategischen Aspekte übrig. Hier lassen sich zwar gewisse Vorteile ausmachen. Diese lägen aber eindeutig bei der Nyse. CEO John Thain würde sein Haus zum weltweit führenden Börsenkonzern ausbauen und die notorische Schwäche der Nyse bei den Derivaten beseitigen. Die französische Seite hätte freilich das Nachsehen. Dass die Amerikaner zulassen, dass ein CEO Jean-François Théodore den neuen Konzern möglicherweise sogar von Paris aus führt, ist unwahrscheinlich. Théodore hätte sich mit der unattraktiven Rolle des Juniorpartners abzufinden.
Zu den wenigen mahnenden Stimmen gehören die Ratingagenturen. So kann beispielsweise Standard & Poor's der Annäherung der Nasdaq an die London Stock Exchange (LSE) wenig Positives abgewinnen. Von der hinter dem Deal stehenden Strategie ist die Agentur, die die Nasdaq auf Junk-Niveau herabgestuft hat, nicht überzeugt: Die Beteiligung an der LSE biete der Nasdaq kaum Synergien und nur geringes Cash-flow-Potenzial. Dem kann man nur zustimmen.
(Börsen-Zeitung, 19.5.2006)
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