Boersen-Zeitung: Bestrafte Sparer, Kommentar von Bernd Wittkowski zur schleichenden Abschaffung des Sparerfreibetrages
Frankfurt (ots)
Die Politik der großen Steuererhöhungskoalition hat etwas von Realsatire. Nur können Wirtschaft und Bürger längst nicht mehr darüber lachen. Die Betroffenen haben von den Berliner Absurditäten inzwischen derart die Nase voll, dass es nicht einmal mehr zum wahrnehmbaren Protest reicht. Und die parlamentarische Opposition scheint kaltgestellt zu sein.
Ein erschreckendes Beispiel dafür, wie Politik ins Groteske und Paradoxe abgleitet, ist die schleichende Abschaffung des Sparerfreibetrages. Nach dem Willen von Schwarz-Rot sollen Zinserträge künftig nur noch bis zu 750 bzw. 1500 Euro (Ledige/Verheiratete) pro Jahr vom Zugriff des Fiskus verschont bleiben. So sieht es das am Freitag im Bundestag beratene Steueränderungsgesetz 2007 vor. Grotesk und paradox ist das, weil der Gesetzgeber damit seine eigenen - in diesem Fall vernünftigen - Absichten hintertreibt. Zur Erinnerung: Mit dem 1993 in Kraft getretenen Zinsabschlaggesetz war der Sparerfreibetrag auf 6000 DM für Alleinstehende respektive 12000 DM für Ehepaare verzehnfacht worden (plus Werbungskosten). Die Ideen dahinter, die durch zwischenzeitliche Regierungswechsel und veränderte Mehrheitsverhältnisse nicht falsch geworden sind und bis heute ja auch von keiner etablierten Partei grundsätzlich in Frage gestellt werden: Im Interesse der Altersvorsorge und sonstiger Existenzsicherung sollte die Kapitalbildung stimuliert und dabei auch ein Ausgleich für die Geldentwertung geschaffen werden. Ferner galt es, gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts effektive Anreize gegen Vermögensverlagerungen ins Ausland zu setzen und Defizite im Steuervollzug zu beseitigen. Mit Blick auf die Inflationsanfälligkeit von Kapitalvermögen und Einkünften daraus hat das höchste deutsche Gericht "beachtliche Freibeträge" sogar als geboten erachtet.
Doch mit den Freibeträgen sind über die Jahre auch diese Grundsätze ausradiert worden. Opfer der aktuellen Kürzungsrunde werden nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler 2,6 Millionen Sparer sein. Bestraft werden vor allem diejenigen, die aus schon versteuertem Einkommen Kapital für ihre Altersvorsorge ansparen, um so Versorgungslücken zu stopfen, die bei der gesetzlichen Rente aufgerissen werden. Diesem persönlich notwendigen und volkswirtschaftlich sinnvollen Verhalten spricht die Politik der großen Koalition Hohn.
(Börsen-Zeitung, 20.5.2006)
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