Boersen-Zeitung: Sparkassen kopieren Merck, Kommentar von Ulli Gericke zum geplanten Erwerb desl Nord/LB-Anteils an der Bank Berlin durch den DSGV
Frankfurt (ots)
Die Parallelen sind verblüffend. Was der Pharma- und Chemiekonzern Merck dieser Tage beim gescheiterten, aber wenigstens lukrativen Versuch, den Berliner Konkurrenten Schering zu übernehmen, durchexerzierte, findet im Sparkassenlager begeisterte Nachahmer. Auch hier war der erste Versuch, die Bankgesellschaft Berlin samt der ihr zugeordneten Sparkasse zu übernehmen, schmählich daran gescheitert, dass ein Wettbewerber, nämlich US-amerikanische Finanzinvestoren, deutlich mehr bot. Beim jetzt anstehenden zweiten Privatisierungsanlauf des 81-prozentigen Anteils Berlins an der Bankgesellschaft sieht sich die S-Gruppe erneut unter dem Druck finanzkräftiger Privatbanken, die allein für den Erwerb einer Sparkasse viel Geld zahlen würden.
Wenn sich ein "Fremdgehen" der Sparkasse schon nicht verhindert lässt - weil die EU ein "diskriminierungsfreies Verkaufsverfahren vorschreibt -, will die öffentlich-rechtliche Familie dem künftigen Investor wenigstens so viele Steine wie möglich in den Weg legen. Wie Merck am Markt Schering-Aktien aufgekauft hat, um Bayer zu Zugeständnissen zu zwingen, will der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) das bisher bei der Nord/LB liegenden 10-prozentige Paket an der Bank Berlin übernehmen. Damit hätte der Sparkassenverband Anspruch auf einen Aufsichtsratsposten, würde an hausinterne Informationen kommen und hätte ein strategisches Asset für das gesamte Verkaufsverfahren in der Hand - lästig für einen möglichen privaten Investor.
Zwar kann mit einem 10-prozentige Anteil nicht wirklich viel bewegt werden. Das Paket ist allerdings zu groß, um den Sparkassenspitzenverband per Squeeze-out-Verfahren aus der Bank zu drängen. Das alles könnte auch die Nord/LB sicherstellen. Der DSGV fürchtet jedoch, dass die Landesbank nach dem Wegfall der Staatshaftung weich würde, böte ein Investor einen statten Aufschlag auf den Börsenwert.
Die S-Finanzgruppe will mit der jüngsten Volte die Privaten abschrecken, für die Bankgesellschaft zu bieten. Dass die EU-Kommission dem Versuch tatenlos zusieht, darf bezweifelt werden. In einer Zeit, in der die Sparkassen für den Erhalt des §40 KWG mehr denn je auf das Wohlwollen Brüssels angewiesen sind, muss das Austricksen von EU-Vorgaben provozieren. Ein fataler Fehler, der sich bitter rächen dürfte.
(Börsen-Zeitung, 17.6.2006)
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