Boersen-Zeitung: Im IPO-Dickicht, Kommentar von Walther Becker zur neuen Praxis der Preisfindung bei Börsengängen
Frankfurt (ots)
Demag Cranes dampft Volumen und Preis des Börsengangs ein - und trifft trotzdem nur auf verhaltene Nachfrage. Klöckner & Co. macht kräftige Abstriche, und dennoch gerät das Going Public zur Zitterpartie. Der Bauzulieferer Wacker startet nun seine Roadshow, ohne die Preisspanne zu beziffern und - ein Novum bei größeren IPO - ohne die Zahl der Aktien zu nennen, die platziert werden sollen.
Die Bookbuilding-Range erst dann zu beziffern, wenn die Resonanz der institutionellen Investoren getestet ist, hat sich mittlerweile eingebürgert bei den von der Deutschen Bank begleiteten Börsengängen. Und der Branchenprimus ist, abgesehen von Wacker Chemie, der größten Emission hierzulande 2006, sowie von Air Berlin, bei namhaften IPO führend. Das "Decoupled-Verfahren" bedeutet, dass die Preisspanne erst festgelegt wird, wenn sich die Konsortialbanken sicher sind, dass das Angebot in dieser Bandbreite auch gut zweifach gezeichnet wird - ansonsten geht der Börsengang in die Hose, oder er wird doch noch abgesagt.
Ganz vorsichtig, nur nicht aus der Deckung wagen, möglichst gar die Ankündigung eines Börsengangs vermeiden und in der Schlussphase Augen zu und durch, so lautet die Devise. Die Gründe sind klar: die gestiegene Volatilität und der Kursrutsch - der Dax hat seit dem 9. Mai gut 10% eingebüßt. Die BVI-Statistik zeigt, dass die Anleger allein im Mai 1,9 Mrd. Euro aus Aktienfonds abzogen.
Das Verfahren der Preisbildung bevorzugt eindeutig die Profis. Ihnen wird auf der Roadshow weit mehr präsentiert, auch und gerade zur Bewertung, als der Öffentlichkeit via Pressekonferenz. Investmentbanker nehmen private Nachfrage nach neuen Aktien zwar billigend in Kauf - gezielt angesprochen werden Retailkunden längst nicht mehr. Denn sie gelten als unzuverlässig und bloß auf den schnellen Euro zielend.
Für Institutionelle birgt das Dilemma der Emittenten Chancen. Denn gerade in schwierigen Marktphasen ist gutes Geld mit günstigen Emissionen zu verdienen , weil viele Investoren das Risiko scheuen. Entkoppeln vom Markt kann sich niemand. Aber das Verfahren der Preisfindung ermöglicht Börsengänge in härteren Zeiten ohne öffentliches Feilschen. Man mag es bedauern - doch dass IPO unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, ist der Marktverfassung angemessen.
(Börsen-Zeitung, 27.6.2006)
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